3. Fami­li­en­kon­fe­renz Müns­ter / 22. – 24. Juni 2012

Die Dra­vet-Fami­li­en­kon­fe­renz in Müns­ter war mal wie­der ein vol­ler Erfolg. Es kamen ins­ge­samt 66 Eltern und 9 Kin­der.
Am Sams­tag begann Dr. med. Ulrich Haf­ke­mey­er, Phy­sio- und Bobath-The­ra­peut, Fach­arzt für Ortho­pä­de, Kin­der­or­tho­pä­die, Tech­ni­sche Ortho­pä­die, Neu­ro­or­tho­pä­die, SPZ – West­müns­ter­land, St.-Vincenz-Hospital, Chris­to­pho­rus-Kli­ni­ken Coes­feld, mit einem ein­drucks­vol­len Vor­trag über ortho­pä­di­sche Pro­ble­me, die bei unse­ren Kin­dern auf­tre­ten kön­nen. Hier­bei stell­te er ver­schie­de­ne Mög­lich­kei­ten der Fuß­stel­lungs- und Rumpf­kor­rek­tur bei epi­lep­sie­be­ding­ter Mus­kel­hy­po­to­nie vor. Es wur­de über spe­zi­ell ange­pass­te und sen­so­mo­to­ri­sche Schuh­ein­la­gen dis­ku­tiert. Vie­le Anschau­ungs­ob­jek­te hat­te er mit­ge­bracht, so dass es nicht nur bei der Theo­rie blieb. Die Scheu vor sol­chen Hilfs­mit­teln konn­te so bes­ser über­wun­den wer­den. Aus­ser­dem ist wohl klar gewor­den, dass wir Eltern die­ser Pro­ble­ma­tik offe­ner gegen­über­ste­hen müs­sen, da wohl fast alle Dra­vet-Kin­der ortho­pä­di­sche Hilfs­mit­tel benö­ti­gen. Sein Ange­bot, unse­re Kin­der in sei­ner ortho­pä­di­schen SPZ-Sprech­stun­de vor­zu­stel­len, fand gro­ßen Anklang.

Der 2. Vor­trag mit dem Titel „Ent­wick­lung und Per­spek­ti­ven jen­seits des Klein­kind­al­ters“ wur­de von Dr. med. Ste­phan Waltz, Kin­der­n­eu­ro­lo­gie, Epi­lep­to­lo­gie und Sozi­al­päd­ia­trie, Kin­der­kran­ken­haus, Ams­ter­da­mer Stras­se, Kli­ni­ken der Stadt Köln GmbH gehal­ten. Er stell­te den Wan­del der Dra­vet-Erkran­kung im Lau­fe der ein­zel­nen Lebens­jah­re dar. The­ra­pie bei The­ra­pie­re­sis­tenz – hier ist es wich­tig, dass rea­lis­ti­sche Zie­le gesteckt wer­den. Was sind wich­ti­ge und erreich­ba­re Zie­le des Kin­des? The­ra­pien soll­ten weder das Kind noch die Eltern in Anzahl und Umfang über­for­dern. Vie­le „The­ra­pien“ kann man auch in den All­tag als Fami­lie ein­bau­en. Die Kin­der benö­ti­gen wie „nor­ma­le“ Kin­der auch: Gren­zen. Ein­fa­che Anfor­de­run­gen, kla­re Struk­tu­ren und posi­ti­ve Ver­stär­kung sind für die Kin­der wich­tig. Es wur­de deut­lich, dass die Gesamt­fa­mi­lie durch die Dra­vet-Erkran­kung krän­kelt. Hil­fen und Aus­zei­ten müs­sen in Anspruch genom­men wer­den, denn wie er so schön sag­te: Dra­vet ist kein Sprint, son­dern ein Lang­stre­cken­lauf!

Nach dem gemein­sa­men Mit­tag­essen folg­te ein Vor­trag zum The­ma „Keto­ge­ne Diät“ von Herrn Prof. Dr. Thors­ten Mar­quardt, Kli­nik für Kin­der- und Jugenme­di­zin, Uni­ver­si­täts­kli­ni­kum Müns­ter. Er erklär­te die Wir­kungs­wei­se von Keto­nen im Stoff­wech­sel und ent­wi­ckel­te eine Mög­lich­keit evtl. die Ernäh­rung für die Umstel­lung auf den Hun­ger­stoff­wech­sel nicht ganz umstel­len zu müs­sen, son­dern die Keto­ne (beta-Hydro­xy­but­ter­säu­re) mit der Nah­rung zum Bei­spiel in Form einer Kap­sel auf­zu­neh­men. Die­se Vor­ge­hens­wei­se wür­de die Lebens­qua­li­tät der Pati­en­ten unter keto­ge­ner Ernäh­rung sehr ver­bes­sern, da die Auf­nah­me der vie­len Fet­te zu den Mahl­zei­ten nicht beson­ders schmack­haft ist. Da sich die Keton­kap­sel noch in der Erpro­bungs­pha­se befin­det, gab es noch kei­ne Aus­sa­gen zur Wirk­sam­keit. Danach gab es noch eine all­ge­mei­ne Ein­füh­rung in die keto­ge­ne Diät durch eine Ernäh­rungs­be­ra­te­rin der Univ.-Klinik Müns­ter, wo es unter ande­rem auch um die Finan­zie­rung der benö­tig­ten Pro­duk­te wie z.B. Vit­ami­ne durch die Kran­ken­kas­sen ging.

Anschlie­ßend folg­ten die Gesprächs­krei­se in klei­nen Grup­pen. Die Gesprächs­krei­se „Anti­epi­lep­ti­ka“ und „Eine star­ke Fami­lie – trotz Dra­vet?“ wur­den pro­fes­sio­nell beglei­tet. Für den Anti­epi­lep­ti­ka-Gesprächs­kreis stand uns Herr PD Dr. med. Debus, FA für Kin­der- und Jugend­me­di­zin, Neu­ro­päd­ia­ter, Chef­arzt Cle­mens­hos­pi­tal Müns­ter zur Ver­fü­gung. Den psy­cho­lo­gi­schen Gesprächs­kreis  beglei­te­te Frau Dr. Mon­nin­ger, FÄ für Kin­der- und Jugend­me­di­zin, Psy­cho­so­ma­tik, Uni­ver­si­täts­kli­ni­kum Müns­ter.

Zur Abrun­dung des ins­ge­samt sehr gelun­ge­nen Tages fand ein gemein­sa­mes Abend­essen beim Ita­lie­ner um die Ecke statt, das wie­der mit gro­ßer Betei­li­gung inten­siv zum per­sön­li­chen Aus­tausch anreg­te.

Der Sonn­tag wur­de mit Span­nung erwar­tet, da uns gleich 2 Dra­vet-Spe­zia­lis­ten zur Ver­fü­gung stan­den. Frau Dr. Korn-Mer­ker, Kli­nik Kidron, Bie­le­feld und Univ.-Prof. Dr. Kur­le­mann, Lei­ter der Neu­ro­päd­ia­trie, Uni­ver­si­täts­kli­ni­kum Müns­ter bespra­chen mit uns ver­schie­de­ne The­men, zu denen sie Rede und Ant­wort stan­den.  Über ver­schie­de­ne Defi­ni­tio­nen ging es zu den Anfalls­for­men. Da beim Dra­vet-Syn­drom alle Anfalls­for­men vor­kom­men, wur­den die ein­zel­nen Anfalls­ar­ten jewei­li­gen Syn­dro­men zuge­ord­net, bei denen sie haupt­säch­lich auf­tre­ten. So wur­den sowohl die ver­schie­de­nen Anfäl­le erklärt als auch  wie­der ein­mal klar, dass das Dra­vet-Syn­drom ein bun­tes Bild von Anfalls­for­men bie­tet.

Wei­ter­hin wur­de auf neu­ro­phy­sio­lo­gi­scher Grund­la­ge erklärt, was beim Dra­vet-Syn­drom nicht funk­tio­niert und wie ver­schie­de­ne Medi­ka­men­te an den ver­schie­de­nen Kanä­len wir­ken.

Ein wei­te­res The­ma beschäf­tig­te sich mit dem Medi­ka­ment Fen­flu­ra­min, das wohl gute Erfol­ge beim Dra­vet-Syn­drom (Ceu­lem­ans et al., Suc­cessful use of fen­flu­ra­mi­ne as an add-on tre­at­ment for Dra­vet syn­dro­me. Epi­lep­sia 2012) gezeigt hat, aber vom Markt genom­men wur­de. Es wur­de ursprüng­lich bei Adi­po­si­t­as­pa­ti­en­ten ein­ge­setzt, bei denen ver­mehr­te Todes­fäl­le auf­grund von Herz­ne­ben­wir­kun­gen augetre­ten sind. Die Dosis bei den Adi­po­si­t­as­pa­ti­en­ten war aber um ein Viel­fa­ches höher als die Dosis, die bei den Dra­vet-Pati­en­ten ein­ge­setzt wur­de. Wün­schens­wert wäre es, eine pro­spek­ti­ve Stu­die bei Dra­vet-Pati­en­ten durch­zu­füh­ren.

Das abschlie­ßen­de The­ma war die Vagus­nerv­sti­mu­la­ti­on. Hier wur­de die trans­ku­ta­ne Form der Anwen­dung und die Implan­ta­ti­on vor­ge­stellt. Die vor­ge­stell­te Stu­die von Zam­po­ni et al. Mit ins­ge­samt 8 Pati­en­ten (EJPN 15, 2011) zeig­te bei der Hälf­te der Pati­en­ten einen guten kli­ni­schen Effekt.

Danach fand die ers­te Mit­glie­der­ver­samm­lung unse­res neu gegrün­de­ten Ver­eins statt, die trotz des straf­fen Pro­gramms der Kon­fe­renz sehr gut besucht war. Der Ver­ein, sei­ne Zie­le und der Vor­stand stell­ten sich aus­führ­lich vor. Zudem wur­de ein­deu­tig beschlos­sen, die Fami­li­en­kon­fe­renz 1x jähr­lich statt­fin­den zu las­sen. Von ver­schie­de­nen Sei­ten erfolg­ten Unter­stüt­zungs­an­ge­bo­te, die wir sicher­lich gern in Anspruch neh­men.

Trotz anstren­gen­der Tage mit viel Infor­ma­ti­on und Aus­tausch war es wie­der ein­mal ein gelun­ge­nes Wochen­en­de, das viel zu kurz gewe­sen ist!

Einen Ein­blick in die Kon­fe­renz kön­nen Sie dem Video ent­neh­men.