Leben mit Dra­vet – The­ra­pie

The­ra­pie

Das Dra­vet-Syn­drom ist eine the­ra­pie­schwie­ri­ge bis ‑resis­ten­te (= ‑refrak­tä­re) Epi­lep­sie. Die Aus­wahl der Medi­ka­men­te (Anti­epi­lep­ti­ka) ist begrenzt.

Es wur­de fest­ge­stellt, dass Anti­epi­lep­ti­ka, die haupt­säch­lich oder aus­schließ­lich durch Hem­mung von Natri­um­ka­nä­len wir­ken, beim Dra­vet-Syn­drom eine Ver­schlech­te­rung aus­lö­sen kön­nen. Bewährt haben sich Anti­epi­lep­ti­ka, die die hem­men­de Effek­ti­vi­tät der Intern­neu­ro­nen ver­stär­ken, wie Val­proat, Clo­bazam, Stiri­pen­tol, Brom oder Topi­ra­mat. Häu­fig wird eine Kom­bi­na­ti­ons­the­ra­pie von meh­re­ren Medi­ka­men­ten benö­tigt. Anfalls­frei­heit ist dabei schwer erreich­bar, so dass der Nut­zen einer Dosis­stei­ge­rung immer gut (auch im Hin­blick auf even­tu­ell stär­ke­re Neben­wir­kun­gen) abge­wägt wer­den soll­te.

Wei­te­re Medi­ka­men­te, die mit unter­schied­li­chem Erfolg ein­ge­setzt wer­den, sind Leve­tir­acetam, Etho­suxi­mid, Mesu­xi­mid, Phe­no­bar­bi­tal, Zoni­sa­mid und Sul­ti­am.

Anti­epi­lep­ti­ka wie Carb­am­aze­pin, Oxcar­ba­ze­pin, Phe­ny­to­in und Lamo­tri­gin soll­ten nicht ein­ge­setzt wer­den. Die­se Medi­ka­men­te ver­schlech­tern in der Regel die Anfalls­si­tua­ti­on.

Eben­falls wich­tig ist eine kon­se­quen­te Behand­lung eines Sta­tus epi­lep­ti­cus. Hier soll­te ein Not­fall­plan mit der genau­en Vor­ge­hens­wei­se mit dem behan­deln­den Arzt erstellt wer­den, Er soll­te wich­ti­ge Tele­fon­num­mern, genaue „To do“ Punk­te, Rei­hen­fol­ge und Dosie­rung der zu ver­ab­rei­chen­den Medi­ka­men­te beinhal­ten und vom Pati­en­ten immer bei sich getra­gen wer­den. Beson­ders auf Rei­sen ist ein sol­cher Not­fall­plan unent­behr­lich.

Mög­li­che Not­fall­me­di­ka­men­te, die im Ein­zel­nen mit dem behan­deln­den Neu­ro­lo­gen bespro­chen wer­den soll­ten sind:

Für zu Hau­se: Dia­ze­pam, Mid­azo­lam, Chlor­al­hy­drat, Clo­na­ze­pam, Lora­ze­pam

In der Kli­nik: Iv-Medi­ka­tio­nen: Clo­na­ze­pam, Lora­ze­pam, Leve­tir­acetam

Bei der medi­ka­men­tö­sen The­ra­pie ist ein gro­ßes Durch­hal­te­ver­mö­gen gefragt. Ver­schie­de­ne Neu­ro­lo­gen ver­fol­gen ver­schie­de­ne The­ra­pie­an­sät­ze, so dass man sich bei sei­nem betreu­en­den Neu­ro­lo­gen gut ver­sorgt wis­sen muss. Bis die Wir­kung eines Medi­ka­men­tes ein­setzt, kann es Wochen, teil­wei­se Mona­te dau­ern, so dass vor­han­de­ne Stand­haf­tig­keit von Vor­teil ist.

Die Auf­do­sie­rung eines Anti­epi­lep­ti­kums kann zu deut­li­chen Wesens­ver­än­de­run­gen der Kin­der füh­ren. Häu­fig wer­den sie lang­sa­mer im Den­ken und in der Moto­rik, teil­wei­se auch aggres­siv. Wei­ter­hin kann das Her­aus­neh­men von Medi­ka­men­ten zu einer ver­stärk­ten Anfalls­si­tua­ti­on füh­ren.

Alter­na­ti­ve The­ra­pie­an­sät­ze

Keto­ge­ne Diät

Die keto­ge­ne Diät ist streng koh­len­hy­drat­li­mi­tiert, pro­te­in- und kalo­rien­bi­lan­ziert und des­halb fett­reich. Die­se Form der diä­te­ti­schen Ernäh­rung kann sich bei die­ser Erkran­kung posi­tiv aus­wir­ken. Die Diät imi­tiert den Hun­ger­stoff­wech­sel in bestimm­ten Aspek­ten. Der Kör­per bezieht sei­ne Ener­gie nicht aus der nor­mal übli­chen Glu­ko­se, son­dern über das zuge­führ­te Nah­rungs­fett über den Keton­stoff­wech­sel. Die keto­ge­ne Diät wird ins­be­son­de­re bei ver­schie­de­nen Stoff­wech­sel­er­kran­kun­gen ein­ge­setzt, die als Ursa­che einen Defekt in der Ver­wer­tung von Glu­ko­se (GLU­T1-Defi­zit-Syn­drom, Pyru­vat­de­hy­dro­ge­na­se­man­gel) haben. Die Diät­form wird durch die Ernäh­rungs­be­ra­tung und einen Arzt indi­vi­du­ell berech­net, kon­trol­liert und über­wacht.

Vagus­nerv­sti­mu­la­ti­on (VNS)

Ein VNS ist eine wei­te­re Opti­on, wel­che ver­mehrt bei the­ra­pie­re­sis­ten­ten Epi­lep­sien ein­ge­setzt wird. Es gibt eine Stu­die mit 8 Dra­vet-Pati­en­ten (Zam­po­ni et al., EJPN 15, 2011), die bei der Hälf­te der Teil­neh­mer >50% Anfalls­re­duk­ti­on ver­zeich­nen konn­te.

Inter­dis­zi­pli­nä­res Team

Das Dra­vet-Syn­drom ist eine sehr facet­ten­rei­che Erkran­kung. Vie­le ver­schie­de­ne Ärz­te, The­ra­peu­ten und Päd­ago­gen beglei­ten neben den Eltern ein Dra­vet-Kind. Ein stän­di­ger Aus­tausch zwi­schen allen Insti­tu­tio­nen wäre wün­schens­wert und für die opti­ma­le För­de­rung not­wen­dig.

Zum inter­dis­zi­pli­nä­ren Team gehö­ren: Ärz­te (Kinderarzt/​Hausarzt, Neu­ro­lo­ge, Ortho­pä­de, Psy­cho­lo­ge, ver­ant­wort­li­cher Arzt des SPZ), evtl. ver­sor­gen­des Pfle­ge­per­so­nal, Päd­ago­gen (Früh­för­de­rung, Kin­der­gar­ten, Schu­le), The­ra­peu­ten (Phy­sio­the­ra­pie, Logo­pä­die, Ergo­the­ra­pie, Hip­po­the­ra­pie) und natür­lich die Eltern.

SUDEP

SUDEP ist eine Abkür­zung und steht für den Begriff „Sud­den Unex­pec­ted Death of Epi­lep­sie Pati­ents“. Es ist also der plötz­li­che und uner­war­te­te Tod von Epi­lep­sie-Pati­en­ten. In den aller­meis­ten Fäl­len han­delt es sich dabei um Todes­fäl­le im Schlaf.

Wie häu­fig ist ein SUDEP?

Das Vor­kom­men eines SUDEP wird auf alle Epi­lep­sie­pa­ti­en­ten bezo­gen mit 1% ange­ge­ben. 1% bedeu­tet 1 Todes­fall auf 100 Epi­lep­sie­jah­re. Beim Dra­vet-Syn­drom wird der SUDEP je nach Lite­ra­tur­stel­le mit sehr unter­schied­li­chen Pro­zent­zah­len ange­ge­ben. Die­se lie­gen zwi­schen 5 und 15%. Das heißt, dass 5–15 Pati­en­ten in Bezug auf 100 Epi­lep­sie­le­bens­jah­re an einem SUDEP ver­ster­ben.

Ursa­chen für einen SUDEP?

Die genaue Ursa­che oder Kom­bi­na­tio­nen von Ursa­chen des SUDEPs sind noch unklar. Es gibt aller­dings Ver­mu­tun­gen, die von einer gestör­ten Atmung und/​oder Herz­funk­ti­on (MOR­TE­MUS-Stu­die, Gold­man et al., Curr Opi­ni­on Neu­rol 2015) aus­ge­hen. Die­se Stu­die beinhal­tet alle Epi­lep­sie­pa­ti­en­ten und ist nicht spe­zi­ell auf das Dra­vet-Syn­drom aus­ge­rich­tet.

Stö­run­gen der Atmungs­re­gu­la­ti­on:
Nach einer Atem­pau­se kommt es zu einem Sau­er­stoff­ab­fall (O2) und einem Koh­len­di­oxi­dan­stieg (CO2). Dies führt zu einer Über­säue­rung und damit zu Herz­rhyth­mus­stö­run­gen, die in einem Herz­fre­quenz­ab­fall enden. Ein ande­rer Mecha­nis­mus wäre eine Ver­än­de­rung des Boten­stof­fes Sero­to­nin, der zu Atem­re­gu­la­ti­ons­stö­run­gen führt.

Die ver­än­der­ten Na-Kanä­le kom­men im gesam­ten Hirn also auch in der Atem­re­gu­la­ti­ons­re­gi­on (Hirn­stamm) vor, was gera­de beim Dra­vet-Syn­drom die erhöh­te Rate von SUDEP erklä­ren könn­te.

Stö­run­gen der Herz­funk­ti­on:
Durch einen vor­her­ge­hen­den Anfall kön­nen Herz­rhyth­mus­stö­run­gen aus­ge­löst wer­den. Es kön­nen auch vor­be­stehen­de Rhyth­mus­stö­run­gen (z.B. das Long-QT-Syn­drom) oder Ver­än­de­run­gen des auto­no­men Ner­ven­sys­tems ursäch­lich sein. Gera­de im Fal­le des Dra­vet-Syn­droms ist die gemein­sa­me gene­ti­sche Ver­än­de­rung evtl. ein erhöh­tes Risi­ko. Die ver­än­der­ten Na-Kanä­le kom­men nicht nur im Hirn, son­dern auch im Her­zen vor.

 

Was kann ich tun, um einen SUDEP zu ver­mei­den?

Bekann­te Risi­ko­fak­to­ren sind:

  • Bauch­la­ge
  • frü­her Beginn der Epi­lep­sie
  • männ­li­che Epi­lep­sie­pa­ti­en­ten häu­fi­ger betrof­fen als weib­li­che
  • län­ge­re Epi­lep­sie­dau­er
  • Schlech­te Anfalls­kon­trol­le (= sym­pto­ma­ti­sche Epi­lep­sie)
  • Alter <40 Jah­re (hohes Risi­ko: all­ge­mein: 30. – 40. LJ; bei Dra­vet ins­be­son­de­re auch in den ers­ten Lebens­jah­ren gehäuft)
  • Häu­fig­keit der nächt­li­chen gene­ra­li­sier­ten tonisch-klo­ni­schen Anfäl­le
  • Poly­the­ra­pie

Bekann­te Schutz­fak­to­ren sind u.a.:

  • Ein­schrän­kun­gen der kogni­ti­ven Ent­wick­lung
  • Nächt­li­che Über­wa­chung

Vie­le Risi­ko­fak­to­ren bis auf die Schlaf­po­si­ti­on sind hin­zu­neh­men und nicht ver­än­der­bar. Den Eltern wird gera­ten, wie bei einem plötz­li­chen Kinds­tod des Säug­lings­al­ters vor­zu­ge­hen. Mög­lichst kei­ne Bauch­la­ge, kei­ne Kis­sen oder Ver­wen­dung von Spe­zi­al­kis­sen, Zim­mer­tem­pe­ra­tur im Schlaf zwi­schen 16 und 18°C, Moni­to­ring.

Der behan­deln­de Kin­der­n­eu­ro­lo­ge soll­te die Vor- und Nach­tei­le ver­schie­de­ner Hilfs­mit­tel zur Anfalls­de­tek­ti­on im Schlaf bei Dia­gno­se­stel­lung eines Dra­vet-Syn­droms mit den Eltern bespre­chen.

In die Ent­schei­dung soll­ten fol­gen­de Über­le­gun­gen ein­be­zo­gen wer­den:

  • Auf­tre­ten­de Anfalls­form
  • Auf­tre­ten von Bewe­gun­gen (Gerät, das nur auf Bewe­gung reagiert, kann auch nur bei Anfäl­len mit viel Bewe­gung ein­ge­setzt wer­den!)
  • Sät­ti­gungs-/HF-Ände­run­gen (ein Moni­tor oder Puls­oxy­me­ter kann Anfäl­le nur dann anzei­gen, wenn Sät­ti­gungs- oder Herz­fre­quenz­än­de­run­gen wäh­rend des Anfalls auf­tre­ten)
  • Indi­vi­du­el­le Detek­ti­ons­ra­te
  • Rate an Fehl­alar­men
  • Schlaf­ver­hal­ten
  • Akzep­tanz durch das Kind
  • Eige­ne Belas­tung

Letzt­end­lich ist es eine indi­vi­du­el­le Ent­schei­dung der Eltern, ob und wel­ches Hilfs­mit­tel zur Anfalls­de­tek­ti­on ein­ge­setzt wird.

Was soll ich tun, wenn ich einen SUDEP bemer­ke?

Es gibt immer wie­der auch Eltern, die von einem Fast-SUDEP, also ein SUDEP, der ver­hin­dert wur­de, berich­ten. Das Aller­wich­tigs­te ist trotz der Angst und Panik, die solch eine Situa­ti­on aus­löst, küh­len Kopf bewah­ren und ruhig blei­ben!

Wenn ein Puls­oxy­me­ter oder Moni­tor ange­schlos­sen ist, zei­gen abfal­len­de Sät­ti­gungs- bzw. Puls­wer­te, dass evtl. ein SUDEP vor­liegt. Ist kein Moni­to­ring vor­han­den, kann der Puls an den gro­ßen Hals­schlag­adern oder am Unter­arm hand­wärts an der Sei­te des Dau­mens getas­tet wer­den. Des Wei­te­ren kann das Ohr ein­fach auf den Brust­korb gelegt und ver­sucht wer­den, den Herz­schlag zu hören.

Falls nichts gehört/​ gefühlt wird, sofort per Mund-zu-Mund oder Mund-zu Nase min­des­tens 2 Atem­spen­den geben. Oft fängt das Herz bei Kin­dern nach Atem­spen­den wie­der an, zu schla­gen.

Ist jemand zwei­tes anwe­send, könn­te der Not­arzt inzwi­schen her­bei­ge­ru­fen sein. Ist man allei­ne, soll­te jetzt der Not­arzt geru­fen wer­den. Am bes­ten das Tele­fon auf laut stel­len und mit der Not­ruf­zen­tra­le reden, wäh­rend man abwech­selnd Herz­druck­mas­sa­ge und Atem­spen­den gibt. Den Pati­en­ten dabei auf eine har­te Unter­la­ge (Fuß­bo­den) legen. Eine Reani­ma­ti­on auf einer wei­chen Matrat­ze wird kei­nen Erfolg haben! Um hier ein siche­res Gefühl zu geben, wäre es gut, ein­mal jähr­lich einen Ers­te-Hil­fe-Kurs zu machen, um auf dem Gebiet der Reani­ma­ti­on Kennt­nis­se zu bekom­men.

Trotz guter Über­wa­chung und gut durch­ge­führ­ter Reani­ma­ti­ons­maß­nah­men ist aber nicht jeder SUDEP zu ver­mei­den. Auch die­se Tat­sa­che soll­ten Eltern in ihre Über­le­gun­gen zum Ein­satz von Hilfs­mit­teln ein­be­zie­hen.

Was macht die For­schung in Bezug auf den SUDEP? 

 

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