Autismus-Spektrum-Störungen (ASS) sind bei Dravet-Betroffenen keine Seltenheit. Zwar verläuft jede Entwicklung individuell, doch Studien zeigen, dass ein erheblicher Teil der Dravet-Patienten autistische Merkmale aufweist. Eine aktuelle Untersuchung aus Schweden (2024) kam zu dem Ergebnis, dass rund 61 Prozent der Kinder mit Dravet-Syndrom die diagnostischen Kriterien für ASS gemäß DSM‑5, dem internationalen Diagnosemanual für psychische Störungen, erfüllen. Damit ist das gemeinsame Auftreten von Dravet-Syndrom und Autismus nicht die Ausnahme, sondern ein häufiges Begleitphänomen.
Ursachen
Die Ursachen dieser Überlappung sind komplex. Wissenschaftler gehen davon aus, dass sowohl Dravet-Syndrom als auch ASS durch Störungen im Gleichgewicht zwischen erregenden und hemmenden Signalen im Gehirn begünstigt werden. Das Dravet-Syndrom basiert in der Regel auf einer Mutation im SCN1A-Gen, das für die Steuerung von Natriumkanälen in Nervenzellen zuständig ist. Diese genetische Veränderung hat nicht nur Einfluss auf epileptische Aktivität, sondern kann auch andere neurologische Prozesse betreffen, darunter jene, die für soziale Interaktion, Sprache oder Wahrnehmung verantwortlich sind. Da sowohl ASS als auch Dravet-Syndrom als Spektrumerkrankungen gelten, ist das Erscheinungsbild sehr unterschiedlich: Manche Kinder zeigen nur einzelne Verhaltensweisen, andere erfüllen die vollständigen Diagnosekriterien für eine Autismus-Spektrum-Störung.
Symptome
Die Symptome von ASS bei Dravet-Betroffenen können variieren, umfassen jedoch häufig:
- Schwierigkeiten in der sozialen Kommunikation und Interaktion
- Eingeschränkte, repetitive Verhaltensmuster
- Über- oder Unterempfindlichkeit gegenüber sensorischen Reizen wie Licht, Geräuschen oder Berührungen
- Stark fokussierte Interessen an bestimmten Themen
- Ausgeprägte Ängste
- Herausforderndes Verhalten wie Wutausbrüche oder sozialer Rückzugstendenz
Diese Symptome können sich im Laufe der Zeit verändern und variieren in ihrer Intensität.
Behandlungsmöglichkeiten
Die Diagnose einer Autismus-Spektrum-Störung kann gerade bei Kindern mit komplexen neurologischen Erkrankungen wie dem Dravet-Syndrom herausfordernd sein, ist aber von großer Bedeutung. Diese kann nicht nur helfen, bestimmte Verhaltensweisen besser zu verstehen, sondern eröffnet auch den Zugang zu spezifischer Förderung und Unterstützung, etwa im schulischen Bereich oder durch spezialisierte Therapieangebote. In Deutschland übernehmen diese Aufgabe sogenannte Autismus-Kompetenzzentren oder Autismusambulanzen, in denen interdisziplinäre Teams aus Ärzten, Psychologen, Pädagogen und Therapeuten arbeiten.
Für Kinder mit ASS sind verhaltenstherapeutische Ansätze besonders hilfreich. Dabei wird beispielsweise gezielt daran gearbeitet, soziale Kompetenzen zu fördern, Kommunikationsfähigkeiten zu stärken oder belastende Verhaltensweisen zu reduzieren. Ergotherapie und Logopädie können ergänzend eingesetzt werden, um Alltagshandlungen und Interaktion zu erleichtern. In einigen Fällen kann auch eine medikamentöse Unterstützung sinnvoll sein, etwa bei starker Angst, Impulsivität oder Schlafstörungen, immer abgestimmt mit den Ärzt*innen, die das Kind betreuen.
Eltern sind mit diesen Herausforderungen nicht allein. In Deutschland bietet unter anderem das Institut AUTEA Beratung, Fortbildungen und familienorientierte Begleitung für Menschen im Autismus-Spektrum an. Dort wird unter anderem mit dem sogenannten Low-Arousal-Ansatz gearbeitet, einem deeskalierenden und wertschätzenden Zugang im Umgang mit herausforderndem Verhalten. Auch der TEACCH-Ansatz, der auf strukturierte, visuell unterstützte Lern- und Alltagshilfen setzt, wird dort vermittelt.
Eine frühzeitige Auseinandersetzung mit möglichen autistischen Verhaltensweisen kann Eltern helfen, die Situation ihres Kindes besser zu verstehen und gezielt Unterstützung zu organisieren, für ein möglichst stabiles, entwicklungsförderndes Umfeld.