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Neben epi­lep­ti­schen Anfäl­len tre­ten beim Dra­vet-Syn­drom häu­fig moto­ri­sche Beein­träch­ti­gun­gen auf, etwa Pro­ble­me mit Bewe­gung, Gleich­ge­wicht oder Koor­di­na­ti­on. Sie kön­nen im Lau­fe der Zeit zuneh­men. Erfah­re auf die­ser Sei­te, wel­che Sym­pto­me typisch sind und wie The­ra­pien die Beweg­lich­keit unter­stüt­zen kön­nen.

Vie­le Dra­vet-Betrof­fe­ne zei­gen nicht nur epi­lep­ti­sche Anfäl­le, son­dern ent­wi­ckeln im Lau­fe ihrer Kind­heit und Jugend auch Pro­ble­me mit der Bewe­gung, dem Gleich­ge­wicht oder dem Gehen. Die­se moto­ri­schen Beein­träch­ti­gun­gen sind oft belas­tend für die Betrof­fe­nen und ihre Fami­li­en. Sie schrei­ten in vie­len Fäl­len fort und kön­nen im Erwach­se­nen­al­ter deut­li­cher her­vor­tre­ten als in den frü­hen Jah­ren der Kind­heit.
Laut aktu­el­len Stu­di­en haben bis zu 80 Pro­zent der Dra­vet-Betrof­fe­nen Mobi­li­täts­pro­ble­me, dar­un­ter Koor­di­na­ti­ons­stö­run­gen (Ata­xie), Mus­kel­hy­po­to­nie (ein nied­ri­ger Mus­kel­to­nus) oder ein auf­fäl­li­ges Gang­bild.

Die Ursa­chen für moto­ri­sche Beein­träch­ti­gun­gen und Gang­stö­run­gen beim Dra­vet-Syn­drom sind viel­schich­tig. Sie betref­fen sowohl die gene­ti­sche Grund­la­ge der Erkran­kung im SCN1A Gen als auch die Fol­gen wie­der­hol­ter epi­lep­ti­scher Anfäl­le und die all­ge­mei­ne neu­ro­lo­gi­sche Ent­wick­lung. Zudem zei­gen Stu­di­en, dass das Gehirn von Men­schen mit Dra­vet-Syn­drom bereits früh in sei­ner Ent­wick­lung durch die Erkran­kung belas­tet ist. Die häu­fi­gen, zum Teil lang­an­hal­ten­den epi­lep­ti­schen Anfäl­le, beson­ders in den ers­ten Lebens­jah­ren, kön­nen die Rei­fung zen­tra­ler moto­ri­scher Hirn­struk­tu­ren beein­träch­ti­gen, etwa im Klein­hirn (für Gleich­ge­wicht und Koor­di­na­ti­on) oder in den Basal­gan­gli­en (für Bewe­gungs­ab­läu­fe).

Hin­zu kommt, dass auch kogni­ti­ve Fak­to­ren wie eine geis­ti­ge Behin­de­rung oder Schwie­rig­kei­ten in der Reiz­ver­ar­bei­tung die Bewe­gungs­pla­nung zusätz­lich erschwe­ren kön­nen. Vie­le Kin­der wir­ken moto­risch „unge­schickt“, bewe­gen sich zöger­lich oder ver­mei­den neue Bewe­gungs­for­men, nicht aus man­geln­der Moti­va­ti­on, son­dern weil das Gehirn durch die Erkran­kung schlicht lang­sa­mer oder unsi­che­rer arbei­tet. Man­che zei­gen auch eine auf­fäl­li­ge Hal­tung (z. B. gebückt) oder unge­wöhn­li­che Bewe­gungs­mus­ter, die sich mit dem Alter ver­stär­ken.

Ein wei­te­res Puz­zle­stück ist die mus­ku­lä­re Betei­li­gung: Vie­le Betrof­fe­ne zei­gen eine soge­nann­te Hypo­to­nie, also einen zu nied­ri­gen Mus­kel­to­nus, was bedeu­tet, dass die Mus­ku­la­tur schlaff wirkt und Bewe­gun­gen weni­ger sta­bil sind. Auch das trägt dazu bei, dass das Gang­bild unsi­cher ist und All­tags­be­we­gun­gen mehr Anstren­gung erfor­dern.

All die­se Fak­to­ren grei­fen inein­an­der und erklä­ren, war­um sich die Mobi­li­tät bei vie­len Kin­dern und Jugend­li­chen mit Dra­vet-Syn­drom im Lau­fe der Jah­re ver­än­dert oder ver­schlech­tert. In ein­zel­nen Fäl­len wur­den bei Erwach­se­nen mit Dra­vet sogar Par­kin­son-ähn­li­che Gang­bil­der beob­ach­tet, was ver­mu­ten lässt, dass auch dege­ne­ra­ti­ve Pro­zes­se eine Rol­le spie­len könn­ten. Ers­te Stu­di­en (z. B. Sel­va­ra­jah et al., 2022) prü­fen daher den mög­li­chen Nut­zen dopa­mi­ner­ger The­ra­pien, wie sie bei Par­kin­son ein­ge­setzt wer­den.

Moto­ri­sche Pro­ble­me zei­gen sich bei Dra­vet-Betrof­fe­nen meist nicht unmit­tel­bar nach dem Lau­fen ler­nen, son­dern ent­wi­ckeln sich oft schlei­chend über die Jah­re. Wäh­rend vie­le Kin­der zwi­schen dem 8. und 18. Lebens­mo­nat zu lau­fen begin­nen, wird mit zuneh­men­dem Alter ein unsi­che­rer, unko­or­di­nier­ter Gang beob­ach­tet. Häu­fig ver­schlech­tert sich die Mobi­li­tät nach dem 10. Lebens­jahr deut­lich.

Typi­sche Anzei­chen sind:

  • Unsi­che­rer Gang, z. B. breit­bei­ni­ges Gehen oder häu­fi­ges Stol­pern
  • Gerin­ge Kör­per­span­nung (Hypo­to­nie)
  • Hal­tungs­ver­än­de­run­gen, etwa ein gebück­ter Gang mit gebeug­ten Knien und Hüf­ten
  • Ver­lang­sam­te Bewe­gun­gen und ver­kürz­te Schrit­te (Par­kin­son-ähn­lich)
  • Schwie­rig­kei­ten beim Balan­cie­ren oder beim Trep­pen­stei­gen
  • Star­ke Ermüd­bar­keit, beson­ders nach Anfäl­len

Oft benö­ti­gen Dra­vet-Betrof­fe­ne über die Jah­re zuneh­men­de Unter­stüt­zung z. B. adap­ti­ve Bug­gys oder Roll­stüh­le, um län­ge­re Stre­cken zu bewäl­ti­gen oder sich nach Anfäl­len aus­zu­ru­hen.

Zwar gibt es bis­lang kei­ne stan­dar­di­sier­te The­ra­pie, die die moto­ri­schen Schwie­rig­kei­ten beim Dra­vet-Syn­drom ursäch­lich behan­deln kann. Doch durch eine früh­zei­ti­ge und indi­vi­du­el­le För­de­rung las­sen sich Fort­schrit­te erzie­len und der Ver­lauf ver­lang­sa­men.

Ein bewähr­ter Ansatz ist die inter­dis­zi­pli­nä­re The­ra­pie:

  • Phy­sio­the­ra­pie stärkt Mus­kel­kraft, Beweg­lich­keit und Gleich­ge­wicht. Sie kann gezielt dabei hel­fen, das Gang­bild zu ver­bes­sern und Stür­zen vor­zu­beu­gen.
  • Ergo­the­ra­pie unter­stützt die Ent­wick­lung all­tags­prak­ti­scher Bewe­gungs­ab­läu­fe, för­dert die Fein­mo­to­rik und berät zu Hilfs­mit­teln im häus­li­chen Umfeld.
  • Ortho­pä­di­sche Hilfs­mit­tel wie Ein­la­gen, Orthe­sen oder spe­zi­el­le Schu­he sta­bi­li­sie­ren die Gelen­ke und ver­bes­sern die Hal­tung beim Gehen.
  • Hip­po­the­ra­pie (the­ra­peu­ti­sches Rei­ten) und Was­ser­the­ra­pie sind bei vie­len Kin­dern mit Dra­vet-Syn­drom beliebt. Sie stär­ken spie­le­risch den Rumpf, ver­bes­sern die Kör­per­span­nung und machen Bewe­gung erleb­bar – auch bei ein­ge­schränk­ter Mobi­li­tät.
  • In Ein­zel­fäl­len kann eine neu­ro­lo­gi­sche Mit­be­ur­tei­lung sinn­voll sein, wenn Par­kin­son-ähn­li­che Sym­pto­me vor­lie­gen. Ers­te Hin­wei­se zei­gen, dass dopa­mi­ner­ge Medi­ka­men­te hier hilf­reich sein könn­ten (Sel­va­ra­jah et al., 2022).

Wich­tig ist eine kon­ti­nu­ier­li­che Beglei­tung und Anpas­sung der Maß­nah­men an die aktu­el­le Situa­ti­on. Die Mobi­li­täts­be­dürf­nis­se ändern sich im Lau­fe der Ent­wick­lung und mit ihnen auch der Unter­stüt­zungs­be­darf.

Ein beson­de­res Ange­bot des Dra­vet-Syn­drom e.V. sind die Ortho­pä­die­ta­ge, die zwei­mal im Jahr in Coes­feld statt­fin­den. Hier haben Dra­vet-Bre­trof­fe­ne die Mög­lich­keit, sich von Dr. Haf­ke­mey­er unter­su­chen zu las­sen, der sich spe­zi­ell mit dem Dra­vet-Syn­drom und des­sen moto­ri­schen Begleit­erschei­nun­gen aus­kennt und seit Jahr­zehn­ten mit Dra­vet-Betrof­fe­nen arbei­tet. Dabei wer­den Gang­bild, Mus­kel­to­nus und Bewe­gungs­ent­wick­lung genau beur­teilt und gemein­sam mit den Eltern indi­vi­du­el­le Emp­feh­lun­gen für Hilfs­mit­tel, The­ra­pien oder wei­ter­füh­ren­de Dia­gnos­tik bespro­chen. Vie­le Fami­li­en schät­zen die­sen Aus­tausch sehr, weil hier medi­zi­ni­sche Exper­ti­se und prak­ti­sche All­tags­er­fah­rung zusam­men­kom­men.