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Vie­le Eltern fra­gen sich, ob man am Typ der Muta­ti­on den Ver­lauf des Dra­vet-Syn­droms vor­her­sa­gen kann. Es ist zwar bekannt, dass SCN1A-Muta­tio­nen die Funk­ti­on des Nav1.1‑Kanals unter­schied­lich beein­flus­sen, doch die Sym­pto­me kön­nen von Kind zu Kind sehr ver­schie­den sein. Auf die­ser Sei­te erfährst du, wel­che Muta­ti­ons­ty­pen es gibt und wie sie wir­ken.

Eine häu­fi­ge Fra­ge, die sich Eltern stel­len, nach­dem sie die Ergeb­nis­se eines Gen­tests erhal­ten haben, ist, ob die spe­zi­fi­sche Muta­ti­on zur Bestim­mung des Schwe­re­grads oder der lang­fris­ti­gen Aus­wir­kun­gen auf die Gesund­heit ihres Kin­des her­an­ge­zo­gen wer­den kann. Lei­der ist das (noch) nicht mög­lich. Zwar wis­sen For­scher inzwi­schen viel über bestimm­te Muta­tio­nen, doch es gibt kei­nen ein­deu­ti­gen Zusam­men­hang zwi­schen dem genau­en Muta­ti­ons­ort und dem Schwe­re­grad der Sym­pto­me.

Der­zeit wird inten­siv geforscht, um den Zusam­men­hang zwi­schen Art und Ort gene­ti­scher Muta­tio­nen und dem Schwe­re­grad der Erkran­kung bes­ser zu ver­ste­hen. Wis­sen­schaft­ler kön­nen vor­her­sa­gen, ob eine SCN1A-Muta­ti­on zum Dra­vet-Syn­drom oder einer weni­ger schwe­ren Form der Epi­lep­sie führt (Link). Zum jet­zi­gen Zeit­punkt gibt es jedoch kei­ne Hin­wei­se auf einen Zusam­men­hang zwi­schen der Art der Muta­ti­on (und ihrem Auf­tre­tens­ort) und dem Schwe­re­grad des Dra­vet-Syn­droms. Zwei Kin­der mit der­sel­ben Muta­ti­on kön­nen sehr unter­schied­lich betrof­fen sein.

Stu­di­en (z. B. Har­kin et al. 2007, Zube­ri et al. 2011) zei­gen: Ein viel aus­sa­ge­kräf­ti­ge­rer Hin­weis auf den Ver­lauf ist das Alter beim ers­ten Anfall. Wenn die ers­ten Anfäl­le bereits im ers­ten Lebens­jahr auf­tre­ten, ist das Risi­ko höher, dass sich ein klas­si­sches Dra­vet-Syn­drom ent­wi­ckelt. Tritt der ers­te Anfall spä­ter oder unter bestimm­ten Bedin­gun­gen (z. B. nur bei Fie­ber) auf, kann der Ver­lauf mil­der sein.

Eine Muta­ti­on ist eine Ver­än­de­rung im Bau­plan des Kör­pers, also in der DNA. Beim SCN1A-Gen bedeu­tet das: Die Rei­hen­fol­ge der DNA-Buch­sta­ben (A, T, C, G) ist an einer oder meh­re­ren Stel­len ver­än­dert. Die Zel­le liest den Bau­plan nor­ma­ler­wei­se in Drei­er­grup­pen, die jeweils eine Ami­no­säu­re (das dar­aus ent­ste­hen­de Eiweiß, der Nav1.1‑Natriumkanal) bestim­men. Eine Muta­ti­on kann die­sen Ablauf stö­ren – und damit den Auf­bau des Pro­te­ins.

Nicht jede Muta­ti­on hat den­sel­ben Effekt, da die Men­ge des expri­mier­ten Gens oder die Funk­ti­on des von ihm gebil­de­ten Pro­te­ins unter­schied­lich ver­än­dert wer­den. Es gibt ver­schie­de­ne Arten von Muta­tio­nen:

Non­sen­se-Muta­tio­nen (Ver­früh­tes Stopp­si­gnal):

Bei die­ser Muta­ti­on ist der Bau­plan ver­kürzt oder bricht plötz­lich ab: Das Eiweiß wird gar nicht oder nur unvoll­stän­dig her­ge­stellt, wie ein halb gebau­tes Möbel­stück. Die­se Muta­tio­nen sind oft mit schwe­re­ren Ver­läu­fen ver­bun­den. Etwa 20–40 Pro­zent der Dra­vet-Fäl­le beru­hen auf die­ser Art.

Mis­sen­se-Muta­tio­nen (Ver­än­de­rung eines Buch­sta­ben):

Hier wird ein ein­zel­ner Buch­sta­be im gene­ti­schen Code durch einen ande­ren ersetzt. Das kann die Funk­ti­on des Nav1.1- Natri­um­ka­nals beein­träch­tigt oder dafür sor­gen, dass die Zel­le den dys­funk­tio­na­len Kanal ent­sorgt.  Rund 47 Pro­zent der bekann­ten SCN1A-Muta­tio­nen beim Dra­vet-Syn­drom sind Mis­sen­se-Muta­tio­nen. Ist die Ver­än­de­rung in einem wich­ti­gen Funk­ti­ons­be­reich des Eiwei­ßes (z. B. nahe der Pore des Natri­um­ka­nals), kann das zu schwe­ren Sym­pto­men füh­ren. Liegt sie in einem weni­ger wich­ti­gen Bereich, bleibt die Funk­ti­on oft erhal­ten – oder die Sym­pto­me sind mild.

Frames­hift-Muta­ti­on (Ver­schie­bung des Lese­ras­ters):

Bei einer Frames­hift-Muta­ti­on wird min­des­tens ein ein­zel­nes Nukleo­tid ein­ge­fügt oder gelöscht, aber nicht in Drei­er­grup­pen und genau das ist ent­schei­dend. Denn: Die Zel­le liest die DNA immer in Drei­er­grup­pen (Codons). Wenn durch die Muta­ti­on der Lese­rah­men ver­scho­ben wird, ver­än­dert sich die gesam­te Bedeu­tung ab der Muta­ti­ons­stel­le. Das kann dazu füh­ren, dass:

  • völ­lig fal­sche Ami­no­säu­ren ein­ge­baut wer­den,
  • die ent­ste­hen­de Eiweiß­ket­te nicht mehr funk­tio­niert, und
  • oft bald ein STOP-Codon folgt, also ein ver­früh­ter Abbruch.

Frames­hift-Muta­tio­nen sind in der Regel schwer­wie­gend und füh­ren fast immer zu einem funk­ti­ons­lo­sen Natri­um­ka­nal. Frames­hift-Muta­tio­nen machen etwa 15 bis 25 Pro­zent der bekann­ten SCN1A-Muta­tio­nen bei Dra­vet-Betrof­fe­nen aus.

Grö­ße­re Deletionen/​Insertionen:

Manch­mal wer­den gan­ze Abschnit­te des SCN1A-Gens oder benach­bar­ter Gene gelöscht oder dupli­ziert. Auch das kann die Funk­ti­on stark beein­träch­ti­gen. Sol­che Muta­tio­nen sind sel­ten, machen aber etwa 2 bis 5 Pro­zent der SCN1A-beding­ten Dra­vet-Fäl­le aus.

Die­se Unter­schie­de erklä­ren, war­um das Krank­heits­bild von Per­son zu Per­son sehr ver­schie­den aus­fal­len kann, selbst bei glei­cher Dia­gno­se.