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Neben den bekann­ten epi­lep­ti­schen Anfäl­len zei­gen vie­le Kin­der mit Dra­vet-Syn­drom auch Auf­fäl­lig­kei­ten beim Wachs­tum, beim Essen und in der Ver­dau­ung. Stu­di­en deu­ten dar­auf hin, dass etwa 60 Pro­zent der betrof­fe­nen Kin­der im Lau­fe ihrer Ent­wick­lung Ernäh­rungs- und Gedeih­pro­ble­me ent­wi­ckeln, mit teils erheb­li­chen Aus­wir­kun­gen auf ihre kör­per­li­che Ent­wick­lung, ihre Belast­bar­keit und das fami­liä­re Wohl­be­fin­den.

Die Ursa­chen für die­se Pro­ble­me sind viel­schich­tig. Im Zen­trum steht die SCN1A-Muta­ti­on, die beim Dra­vet-Syn­drom nicht nur die Erreg­bar­keit der Ner­ven­zel­len beein­flusst, son­dern auch das neu­ro­en­do­kri­ne Sys­tem, das wich­ti­ge Wachs­tums- und Stoff­wech­sel­pro­zes­se steu­ert.

Aktu­el­le Stu­di­en zei­gen, dass Kin­der mit Dra­vet-Syn­drom im Ver­gleich zu gesun­den Kin­dern signi­fi­kant nied­ri­ge­re Spie­gel des Wachs­tums­hor­mons IGF‑1 und des männ­li­chen Geschlechts­hor­mons Tes­to­ste­ron auf­wie­sen, bei­des Hor­mo­ne, die für das nor­ma­le Kör­per­wachs­tum und die Ent­wick­lung wich­tig sind. Auf­fäl­lig war, dass vie­le der betrof­fe­nen Kin­der klei­ner und leich­ter als ihre Alters­ge­nos­sen waren, ein kla­rer Hin­weis auf eine Gedeih­stö­rung, die über blo­ße Ess­pro­ble­me hin­aus­geht.

Ein wei­te­rer zen­tra­ler Fak­tor ist die Medi­ka­ti­on: Eini­ge Anti­epi­lep­ti­ka, bei­spiels­wei­se Fen­flu­ra­min, Val­pro­in­säu­re und Stiri­pen­tol, sind dafür bekannt, den Appe­tit zu hem­men, den Stoff­wech­sel zu ver­än­dern oder die Kno­chen­dich­te zu beein­flus­sen. Auch chro­ni­sche Anfäl­le kön­nen dazu füh­ren, dass der Kör­per weni­ger effek­tiv Nähr­stof­fe ver­wer­tet. Hin­zu kommt bei vie­len Dra­vet-Betrof­fe­nen ein nied­ri­ger Mus­kel­to­nus, der das Kau­en und Schlu­cken erschwert, eben­so wie Ver­hal­tens­merk­ma­le bei gleich­zei­ti­ger Autis­mus-Dia­gno­se, z. B. sen­so­ri­sche Aver­sio­nen gegen­über bestimm­ten Lebens­mit­teln oder Essens­si­tua­tio­nen.

Fami­li­en berich­ten häu­fig, dass ihre Kin­der mit Dra­vet-Syn­drom appe­tit­los, sehr wäh­le­risch beim Essen oder leicht reiz­bar beim Füt­tern sind. Vie­le Dra­vet-Betrof­fe­ne essen extrem lang­sam, trin­ken wenig oder haben Schwie­rig­kei­ten, Gewicht zuzu­le­gen. In der Lite­ra­tur wer­den beson­ders fol­gen­de Pro­ble­me beschrie­ben:

  • Gedeih­stö­rung: Wachs­tums­ver­zö­ge­rung, Unter­ge­wicht, gerin­ger Mus­kel­auf­bau
  • Oste­ope­nie: Ver­min­der­te Kno­chen­dich­te, teil­wei­se durch Medi­ka­men­te bedingt
  • Schluck­stö­run­gen: Koor­di­na­ti­ons­pro­ble­me beim Kau­en, Ver­schlu­cken, teils mit Aspi­ra­ti­ons­ge­fahr
  • Man­gel­er­näh­rung: Kalo­rien- und Nähr­stoff­auf­nah­me rei­chen nicht aus – trotz regel­mä­ßi­ger Mahl­zei­ten
  • Ver­dau­ungs­pro­ble­me: Beson­ders Ver­stop­fung ist sehr häu­fig, eben­so wie Inkon­ti­nenz
  • Sko­lio­se: Eine häu­fi­ge Begleit­erkran­kung, teils im Zusam­men­hang mit Mus­kel­hy­po­to­nie und Unter­ernäh­rung

Beson­ders kri­tisch wird es, wenn durch wie­der­hol­te Ess­ver­wei­ge­rung oder inef­fek­ti­ve Nah­rungs­auf­nah­me das Wachs­tum deut­lich sta­gniert oder das Gewicht auf die unte­re Per­zen­ti­le fällt. In einer aktu­el­len Stu­die zeig­ten über 17 Pro­zent der Kin­der mit SCN1A-beding­ten Epi­lep­sien eine so schwe­re Ess­stö­rung, dass eine Ernäh­rungs­son­de not­wen­dig wur­de.

Vie­le die­ser Pro­ble­me las­sen sich mit einem indi­vi­du­el­len und inter­dis­zi­pli­nä­ren The­ra­pie­an­satz deut­lich ver­bes­sern. Wich­tig ist, dass Wachs­tums­ver­lauf und Ess­ver­hal­ten regel­mä­ßig doku­men­tiert und früh­zei­tig Ver­än­de­run­gen bespro­chen wer­den. Wenn Eltern Auf­fäl­lig­kei­ten wie star­kes Unter­ge­wicht, Müdig­keit nach dem Essen oder Schluck­be­schwer­den beob­ach­ten, soll­ten sie das medi­zi­ni­sche Team aktiv ein­be­zie­hen.

Emp­foh­le­ne Maß­nah­men sind:

  • Ernäh­rungs­me­di­zi­ni­sche Bera­tung: Fach­kräf­te für Päd­ia­tri­sche Ernäh­rung oder Gas­tro­en­te­ro­lo­gie hel­fen dabei, die Ursa­chen der Ess­pro­ble­me zu klä­ren, Essens­si­tua­tio­nen zu gestal­ten und gege­be­nen­falls Nah­rungs­er­gän­zun­gen ein­zu­set­zen.
  • Logo­pä­die und Schluck­the­ra­pie: Beson­ders bei Kin­dern mit auf­fäl­li­ger Schluck­ko­or­di­na­ti­on, häu­fi­gem Ver­schlu­cken oder Angst vor bestimm­ten Kon­sis­ten­zen ist die Zusam­men­ar­beit mit einem auf Dys­pha­gie spe­zia­li­sier­ten Logo­pä­den hilf­reich.
  • Anpas­sung der Medi­ka­ti­on: Wenn Medi­ka­men­te den Appe­tit stark beein­träch­ti­gen, kann in Abspra­che mit dem Arzt eine Umstel­lung hel­fen.
  • PEG- oder But­ton-Son­de (Gas­trosto­mie): Wenn die ora­le Nah­rungs­auf­nah­me nicht mehr aus­reicht, ist eine Son­den­er­näh­rung oft der ein­zi­ge Weg, um Man­gel­er­näh­rung und chro­ni­sche Erschöp­fung zu ver­hin­dern. Aktu­el­le Stu­di­en zei­gen, dass eine PEG-Son­de nicht bedeu­tet, dass Kin­der nie wie­der essen, son­dern ihnen schlicht den Druck nimmt und eine ergän­zen­de Nah­rungs­auf­nah­me ermög­licht, auch für Medi­ka­men­te oder Flüs­sig­keit. Vie­le Eltern berich­ten, dass die­ser Schritt rück­bli­ckend eine gro­ße Ent­las­tung war. Erfah­re hier mehr dazu.