Die Ursachen für motorische Beeinträchtigungen und Gangstörungen beim Dravet-Syndrom sind vielschichtig. Sie betreffen sowohl die genetische Grundlage der Erkrankung im SCN1A Gen als auch die Folgen wiederholter epileptischer Anfälle und die allgemeine neurologische Entwicklung. Zudem zeigen Studien, dass das Gehirn von Menschen mit Dravet-Syndrom bereits früh in seiner Entwicklung durch die Erkrankung belastet ist. Die häufigen, zum Teil langanhaltenden epileptischen Anfälle, besonders in den ersten Lebensjahren, können die Reifung zentraler motorischer Hirnstrukturen beeinträchtigen, etwa im Kleinhirn (für Gleichgewicht und Koordination) oder in den Basalganglien (für Bewegungsabläufe).
Hinzu kommt, dass auch kognitive Faktoren wie eine geistige Behinderung oder Schwierigkeiten in der Reizverarbeitung die Bewegungsplanung zusätzlich erschweren können. Viele Kinder wirken motorisch „ungeschickt“, bewegen sich zögerlich oder vermeiden neue Bewegungsformen, nicht aus mangelnder Motivation, sondern weil das Gehirn durch die Erkrankung schlicht langsamer oder unsicherer arbeitet. Manche zeigen auch eine auffällige Haltung (z. B. gebückt) oder ungewöhnliche Bewegungsmuster, die sich mit dem Alter verstärken.
Ein weiteres Puzzlestück ist die muskuläre Beteiligung: Viele Betroffene zeigen eine sogenannte Hypotonie, also einen zu niedrigen Muskeltonus, was bedeutet, dass die Muskulatur schlaff wirkt und Bewegungen weniger stabil sind. Auch das trägt dazu bei, dass das Gangbild unsicher ist und Alltagsbewegungen mehr Anstrengung erfordern.
All diese Faktoren greifen ineinander und erklären, warum sich die Mobilität bei vielen Kindern und Jugendlichen mit Dravet-Syndrom im Laufe der Jahre verändert oder verschlechtert. In einzelnen Fällen wurden bei Erwachsenen mit Dravet sogar Parkinson-ähnliche Gangbilder beobachtet, was vermuten lässt, dass auch degenerative Prozesse eine Rolle spielen könnten. Erste Studien (z. B. Selvarajah et al., 2022) prüfen daher den möglichen Nutzen dopaminerger Therapien, wie sie bei Parkinson eingesetzt werden.