Wir infor­mie­ren über das Dra­vet Syn­drom

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Gene­tik

Bei ca. 80% der kli­nisch dia­gnos­ti­zier­ten Dra­vet-Pati­en­ten lässt sich mit einem mole­ku­lar­ge­ne­ti­schen Ver­fah­ren eine Muta­ti­on im SCN1a-Gen (auf dem Chro­mo­som 2) nach­wei­sen. Die­se Muta­ti­on kann eine Punkt­mu­ta­ti­on sein. Das bedeu­tet, dass nur eine ande­re Ami­no­säu­re im Gen falsch ein­ge­baut ist und dadurch der zu kodie­ren­de Bau­stein nicht mehr gebil­det wird. Eine Muta­ti­on kann aber auch das völ­li­ge Feh­len des Gens bedeu­ten. Die Muta­ti­on des SCN1a-Gens bedeu­tet den Ver­lust eines Eiweiß­pro­te­ins der Unter­ein­heit alpha des span­nungs­ab­hän­gi­gen Natri­um­ka­nals, wel­ches für die nor­ma­le Funk­ti­on des Gehirns nötig ist. Bei Kin­dern mit Dra­vet-Syn­drom kann das Eiweiß, das dazu bei­trägt, dass der Infor­ma­ti­ons­fluss von einer Ner­ven­zel­le (Neu­ron) zu einer ande­ren funk­tio­niert, nicht oder nur unvoll­stän­dig pro­du­ziert wer­den. Natri­um­ka­nä­le haben gene­rell eine gro­ße Bedeu­tung für den Erre­gungs­zu­stand der Zel­len im Gehirn, der Mus­ku­la­tur und dem Her­zen.

Beim Dra­vet Syn­drom kommt es also wegen der ver­än­der­ten Funk­ti­on des Natri­um­ka­nals zu Stö­run­gen bei der Über­mitt­lung von Infor­ma­tio­nen zwi­schen den Ner­ven­zel­len. Soweit bis­her bekannt ist, sind die Natri­um­ka­nä­le in den Mus­keln und im Her­zen nicht von die­ser Muta­ti­on betrof­fen. Wei­ter­hin gibt es kei­nen Dra­vet-Pati­en­ten, der homo­zy­got (= bei­de Chro­mo­so­men betref­fend) für die Dele­ti­on ist. Die Dele­ti­on liegt immer hete­ro­zy­got vor. Nur in 10% der Fäl­le wird eine Ver­er­bung durch ein Eltern­teil fest­ge­stellt. In 90% liegt eine Spon­tan­mu­ta­ti­on (= zufäl­li­ge neue gene­ti­sche Vari­an­te, nicht ver­erbt) vor. Das Wie­der­ho­lungs­ri­si­ko bei nach­ge­wie­se­ner Spon­tan­mu­ta­ti­on ist sehr gering.

Bei wei­te­rem Kin­der­wunsch soll­te eine ent­spre­chen­de gene­ti­sche Bera­tung in einem geeig­ne­ten human­ge­ne­ti­schen Insti­tut erfol­gen.

Neben dem klas­si­schen Dra­vet-Syn­drom gibt es wei­te­re Vari­an­ten von Muta­tio­nen im SCN1a-Gen. Die­se füh­ren vor­ran­gig zu Fie­ber­krämp­fen, aber auch zu ande­ren Anfalls­ar­ten, haben aber eine weit­aus bes­se­re Pro­gno­se bezüg­lich Kogni­ti­on, The­ra­pier­bar­keit und Anfalls­häu­fig­keit.

Dia­gno­se

Weg­wei­send für die Dia­gno­se des Dra­vet-Syn­droms ist das kli­ni­sche Bild, das heißt, das was der Pati­ent an Sym­pto­men bie­tet.

  • ers­tes Auf­tre­ten von Anfäl­len zwi­schen dem 3. und 9. Lebens­mo­nat
  • schwe­re Krampf­an­fäl­le, die beson­ders in Ver­bin­dung mit Fie­ber schlecht zu durch­bre­chen sind
  • Krampf­an­fall in der Bade­wan­ne
  • wech­seln­de Anfalls­ar­ten
  • nur schwer (= the­ra­pie­schwie­rig) bis gar nicht (=the­ra­pie­re­sis­tent) ein­stell­bar mit Medi­ka­men­ten

Das EEG ist nicht weg­wei­send, da es anfangs häu­fig nor­mal ist. Spä­ter tre­ten soge­nann­te „Spike-Wave-Kom­ple­xe“ im EEG auf. Die­se zei­gen aber nur das Anfalls­mus­ter bzw. die Anfalls­be­reit­schaft und sind bei vie­len Epi­lep­sie­er­kran­kun­gen zu sehen.

Das MRT ist meist unauf­fäl­lig.

Eine mole­ku­lar­ge­ne­ti­sche Unter­su­chung in Rich­tung des SCN1a-Gens kann zur Bestä­ti­gung der Dia­gno­se her­an­ge­zo­gen wer­den. Bei 80% der Dra­vet-Pati­en­ten fin­det man einen Defekt oder sogar ein völ­li­ges Feh­len die­ses Gens. Ein nega­ti­ver Befund schließt aber die Erkran­kung nicht aus, da die Sym­pto­ma­tik die Dia­gno­se begrün­det.

Ver­lauf

Das Spek­trum inner­halb des Dra­vet-Syn­droms ist sehr groß. Der Ver­lauf ist indi­vi­du­ell. Die Ent­wick­lung des Kin­des zeigt sich in der Regel bis zu Beginn der Erkran­kung nor­mal. Danach ver­lang­samt sich die psy­cho­mo­to­ri­sche Ent­wick­lung in den meis­ten Fäl­len. Beson­ders fällt hier die Sprach­ent­wick­lung auf.

Die Pro­gno­se hin­sicht­lich der kogni­ti­ven Ent­wick­lung und Anfalls­häu­fig­keit ist sehr unter­schied­lich. Es gibt Dra­vet-Kin­der, die auf eine der mög­li­chen Medi­ka­men­ten­kom­bi­na­tio­nen sehr gut bis gut anspre­chen und damit ein eher unty­pi­sches Dra­vet-Syn­drom mit kei­ner oder nur mil­den kogni­ti­ven Beein­träch­ti­gung zei­gen. In der Mehr­zahl der Fäl­le ist der Ver­lauf eher ungüns­tig mit einer mitt­le­ren oder schwe­ren geis­ti­gen Behin­de­rung. Es wird ver­mu­tet, dass nicht nur die epi­lep­ti­sche Akti­vi­tät, son­dern auch gene­ti­sche und bis­her unbe­kann­te Fak­to­ren für die geis­ti­ge Ent­wick­lung der betrof­fe­nen Kin­der eine Rol­le spie­len.

Anfalls­for­men

Es gibt sehr vie­le Anfalls­for­men. Die­se kön­nen ein­zeln auf­tre­ten oder sich unter­ein­an­der mischen. Typisch für Dra­vet-Syn­drom ist, dass sich Anfäl­le häu­fig nicht ein­deu­tig zuord­nen las­sen.

Des­halb ist für Eltern nicht vor­ran­gig wich­tig, jeden Anfall rich­tig ein­zu­ord­nen bzw. benen­nen zu kön­nen, son­dern jeden Anfall genau zu beob­ach­ten.

Die­se Punk­te soll­te man nach einem Anfall dem Neu­ro­lo­gen beant­wor­ten kön­nen:

  • Dau­er des Anfalls in Minu­ten
  • Wann wur­den wel­che Medi­ka­men­te in wel­cher Dosie­rung gege­ben?
  • Bewusst­sein: klar, ver­lang­samt oder nicht vor­han­den
  • Mus­kel­to­nus: ver­krampft, schlaff oder rhyth­misch bzw. nicht rhyth­misch zuckend
  • Wel­che Mus­kel­grup­pen sind wie betrof­fen? Zucken die Mus­kel­grup­pen evtl. in unter­schied­li­chem Rhyth­mus? Ver­än­der­te sich der Krampf im Ver­lauf? evtl. wenn mög­lich, Video­auf­nah­me wäh­rend des Kramp­fes erstel­len

Der Vor­teil einer genau­en Krampf­be­schrei­bung ist, dass sich der Neu­ro­lo­ge ein bes­se­res Bild von den Anfäl­len machen kann und damit evtl. grö­ße­re Chan­cen bestehen, ein geeig­ne­tes Medi­ka­ment zu fin­den.

Die Anfalls­for­men wer­den laut der Inter­na­tio­na­len Liga gegen Epi­lep­sie (ILAE) unter­schie­den in:

Foka­le Anfäl­le:

Das Anfalls­ge­sche­hen fin­det in einer umschrie­be­nen Regi­on der Hirn­rin­de statt. Nach foka­len Anfäl­len, kön­nen kurz­fris­ti­ge, vor­über­ge­hen­de Läh­mun­gen der vom Krampf betrof­fe­nen Extre­mi­tät auf­tre­ten. Die­se Läh­mun­gen kön­nen Minu­ten bis Stun­den anhal­ten, sind aber immer kom­plett rever­si­bel. Die­se Läh­mungs­er­schei­nun­gen wer­den Todd´sche Läh­mung oder Todd´sche Pare­se genannt. Wei­ter­hin gibt es mul­ti­fo­ka­le Anfäl­le, die nur bei genau­er Beobachtung von den klo­ni­schen gene­ra­li­sier­ten Anfäl­len unter­schie­den wer­den kön­nen. Bei einem mul­ti­fo­ka­len Anfalls­ge­sche­hen zucken die betrof­fe­nen Area­le in unter­schied­li­chem Rhyth­mus bzw. in unter­schied­li­cher Stär­ke. Bei einem gene­ra­li­sier­ten klo­ni­schen Anfall zucken alle Extre­mi­tä­ten in glei­chem Rhyth­mus und in glei­cher Stär­ke.

Gene­ra­li­sier­te Anfäl­le:

Das Anfalls­ge­sche­hen fin­det im gesam­ten Hirn statt.

Es gibt hier­bei ver­schie­de­ne Anfalls­qua­li­tä­ten, die nicht nur in ihrer rei­nen Form auf­tre­ten, son­dern auch kom­bi­niert:

  • tonisch = ver­kramp­fend
  • klo­nisch = rhyth­misch zuckend
  • ato­nisch = schlaff
  • Absen­cen = kur­zer Bewusst­seins­ver­lust, kur­zes Inne­hal­ten der Bewe­gung, danach Fort­füh­ren der vor­he­ri­gen Tätig­keit
  • Myo­klo­ni­en = plötz­lich auf­tre­tend, kur­ze Dau­er, kei­ne Bewusst­seins­stö­rung, gern sym­me­trisch auf­tre­tend (z.B. Schul­ter­gür­tel beid­seits)

Anfalls­aus­lö­ser

Der häu­figs­te Anfalls­aus­lö­ser bei klei­nen Kin­dern ist eine rasche Ver­än­de­rung der Kör­per­tem­pe­ra­tur. Der Tem­pe­ra­tur­un­ter­schied kann unter 1°C lie­gen, die Ver­än­de­rung muss nur sehr schnell von­stat­ten gehen.

Auch bei nor­ma­ler Kör­per­tem­pe­ra­tur kann es zu Krampf­an­fäl­len durch Kör­per­tem­pe­ra­tur­sprün­ge kom­men, z.B. aus dem Schlaf her­aus, wenn die Kör­per­kern­tem­pe­ra­tur bei 36,4°C liegt.

Häu­fi­ge Anfalls­aus­lö­ser sind:

  • Bade­was­ser über 37 °C
  • deut­li­cher Tem­pe­ra­tur­un­ter­schied zwi­schen Innen- und Außen­tem­pe­ra­tur
  • Außen­tem­pe­ra­tu­ren ab 30°C
  • unan­ge­mes­se­ne Klei­dung (zu warm bzw. zu leicht ange­zo­gen)
  • Fie­ber­an­stieg, aber auch schnel­les Fie­be­r­en­de
  • kör­per­li­che Belas­tung
  • Emo­tio­nen (Freude/​ Wut/​Aufregung)
  • Über­mü­dung
  • Stress /​Lärm / gro­ße Men­schen­men­gen
  • Infek­te (auch ohne Tem­pe­ra­tur­schwan­kun­gen)
  • schnel­ler Licht-/Schat­ten­wech­sel oder blin­ken­des Kin­der­spiel­zeug (Fotosensibilität=Lichtempfindlichkeit)
  • Fernsehen/​ Com­pu­ter, Stro­bo­skop (z.B. Dis­ko­licht)
  • wie­der­keh­ren­de Mus­ter (Mus­ter­sen­si­bi­li­tät)

Es kön­nen jedoch auch Anfäl­le ohne jeg­li­che Aus­lö­ser auf­tre­ten.

Nicht alle Trig­ger lösen bei jedem Kind Anfäl­le aus. Man­chen anfalls­aus­lö­sen­den All­tags­si­tua­tio­nen kann man nicht aus dem Weg gehen. Ande­ren wie­der­um soll­te man auch nicht aus dem Weg gehen, weil sie für die Ent­wick­lung des Kin­des wich­tig sind (Emo­tio­nen, Sozia­li­sie­rung in einer Spiel­grup­pe, Freun­de tref­fen, Kin­der­gar­ten, Schu­le).

Begleit­sym­pto­me

Kin­der mit einem Dra­vet-Syn­drom lei­den oft auch an zusätz­li­chen Sym­pto­men, wel­che einer adäqua­ten Behand­lung bedür­fen. Nicht alle Sym­pto­me tre­ten bei jedem Kind in Erschei­nung bzw. kön­nen sehr unter­schied­lich stark aus­ge­prägt sein.

Mög­li­che Begleit­sym­pto­me des Dra­vet-Syn­droms sind:
  • psy­cho­ge­ne Stö­run­gen
  • Ver­hal­tens­auf­fäl­lig­kei­ten: oppo­si­tio­nel­les Ver­hal­ten, Aggres­sio­nen, Per­se­ve­ra­ti­on (krank­haf­tes Behar­ren)
  • Wahr­neh­mungs­stö­run­gen
  • Lern­stö­run­gen
  • Auf­merk­sam­keits­stö­run­gen: hyper­ak­ti­ve oder autis­ti­sche Züge
  • Demenz
  • oft ver­zö­ger­te, sel­ten kei­ne Sprach­ent­wick­lung
  • Schlaf­stö­run­gen
  • moto­ri­sche Stö­run­gen
  • mus­ku­lä­re Hypo­to­nie (nied­ri­ger Mus­kel­to­nus), aber auch Spas­tik (=erhöh­ter Mus­kel­to­nus)
  • Ata­xie (= Stö­rung der Bewe­gungs­ko­or­di­na­ti­on)
  • breit­ba­si­ges Gang­bild, Stand­un­si­cher­heit, Gleich­ge­wichts­pro­ble­me, Unfä­hig­keit der ziel­ge­rich­te­ten  Hand- bzw. Fin­ger­be­we­gung
  • Hypo­mi­mie (her­ab­ge­setz­te Mimik), beson­ders im Mit­tel­ge­sichts­be­reich
  • chro­ni­sche Infek­te (oft der obe­ren Atem­we­ge)

Wel­che Sym­pto­me letzt­end­lich durch das Dra­vet-Syn­drom oder durch ver­ab­reich­te Medi­ka­men­te ver­ur­sacht sind, ist nicht bei allen Sym­pto­men ein­deu­tig. Alles in allem han­delt es sich um eine mehr oder min­der deut­li­che psy­cho­mo­to­ri­sche Retar­die­rung.

The­ra­pie

Das Dra­vet-Syn­drom ist eine the­ra­pie­schwie­ri­ge bis ‑resis­ten­te (= ‑refrak­tä­re) Epi­lep­sie. Die Aus­wahl der Medi­ka­men­te (Anti­epi­lep­ti­ka) ist begrenzt.

Es wur­de fest­ge­stellt, dass Anti­epi­lep­ti­ka, die haupt­säch­lich oder aus­schließ­lich durch Hem­mung von Natri­um­ka­nä­len wir­ken, beim Dra­vet-Syn­drom eine Ver­schlech­te­rung aus­lö­sen kön­nen. Bewährt haben sich Anti­epi­lep­ti­ka, die die hem­men­de Effek­ti­vi­tät der Intern­neu­ro­nen ver­stär­ken, wie Val­proat, Clo­bazam, Stiri­pen­tol, Brom oder Topi­ra­mat. Häu­fig wird eine Kom­bi­na­ti­ons­the­ra­pie von meh­re­ren Medi­ka­men­ten benö­tigt. Anfalls­frei­heit ist dabei schwer erreich­bar, so dass der Nut­zen einer Dosis­stei­ge­rung immer gut (auch im Hin­blick auf even­tu­ell stär­ke­re Neben­wir­kun­gen) abge­wägt wer­den soll­te.

Wei­te­re Medi­ka­men­te, die mit unter­schied­li­chem Erfolg ein­ge­setzt wer­den, sind Leve­tir­acetam, Etho­suxi­mid, Mesu­xi­mid, Phe­no­bar­bi­tal, Zoni­sa­mid und Sul­ti­am.

Anti­epi­lep­ti­ka wie Carb­am­aze­pin, Oxcar­ba­ze­pin, Phe­ny­to­in und Lamo­tri­gin soll­ten nicht ein­ge­setzt wer­den. Die­se Medi­ka­men­te ver­schlech­tern in der Regel die Anfalls­si­tua­ti­on.

Eben­falls wich­tig ist eine kon­se­quen­te Behand­lung eines Sta­tus epi­lep­ti­cus. Hier soll­te ein Not­fall­plan mit der genau­en Vor­ge­hens­wei­se mit dem behan­deln­den Arzt erstellt wer­den, Er soll­te wich­ti­ge Tele­fon­num­mern, genaue „To do“ Punk­te, Rei­hen­fol­ge und Dosie­rung der zu ver­ab­rei­chen­den Medi­ka­men­te beinhal­ten und vom Pati­en­ten immer bei sich getra­gen wer­den. Beson­ders auf Rei­sen ist ein sol­cher Not­fall­plan unent­behr­lich.

Mög­li­che Not­fall­me­di­ka­men­te, die im Ein­zel­nen mit dem behan­deln­den Neu­ro­lo­gen bespro­chen wer­den soll­ten sind:

Für zu Hau­se: Dia­ze­pam, Mid­azo­lam, Chlor­al­hy­drat, Clo­na­ze­pam, Lora­ze­pam

In der Kli­nik: Iv-Medi­ka­tio­nen: Clo­na­ze­pam, Lora­ze­pam, Leve­tir­acetam

Bei der medi­ka­men­tö­sen The­ra­pie ist ein gro­ßes Durch­hal­te­ver­mö­gen gefragt. Ver­schie­de­ne Neu­ro­lo­gen ver­fol­gen ver­schie­de­ne The­ra­pie­an­sät­ze, so dass man sich bei sei­nem betreu­en­den Neu­ro­lo­gen gut ver­sorgt wis­sen muss. Bis die Wir­kung eines Medi­ka­men­tes ein­setzt, kann es Wochen, teil­wei­se Mona­te dau­ern, so dass vor­han­de­ne Stand­haf­tig­keit von Vor­teil ist.

Die Auf­do­sie­rung eines Anti­epi­lep­ti­kums kann zu deut­li­chen Wesens­ver­än­de­run­gen der Kin­der füh­ren. Häu­fig wer­den sie lang­sa­mer im Den­ken und in der Moto­rik, teil­wei­se auch aggres­siv. Wei­ter­hin kann das Her­aus­neh­men von Medi­ka­men­ten zu einer ver­stärk­ten Anfalls­si­tua­ti­on füh­ren.

Alter­na­ti­ve The­ra­pie­an­sät­ze

Keto­ge­ne Diät

Die keto­ge­ne Diät ist streng koh­len­hy­drat­li­mi­tiert, pro­te­in- und kalo­rien­bi­lan­ziert und des­halb fett­reich. Die­se Form der diä­te­ti­schen Ernäh­rung kann sich bei die­ser Erkran­kung posi­tiv aus­wir­ken. Die Diät imi­tiert den Hun­ger­stoff­wech­sel in bestimm­ten Aspek­ten. Der Kör­per bezieht sei­ne Ener­gie nicht aus der nor­mal übli­chen Glu­ko­se, son­dern über das zuge­führ­te Nah­rungs­fett über den Keton­stoff­wech­sel. Die keto­ge­ne Diät wird ins­be­son­de­re bei ver­schie­de­nen Stoff­wech­sel­er­kran­kun­gen ein­ge­setzt, die als Ursa­che einen Defekt in der Ver­wer­tung von Glu­ko­se (GLU­T1-Defi­zit-Syn­drom, Pyru­vat­de­hy­dro­ge­na­se­man­gel) haben. Die Diät­form wird durch die Ernäh­rungs­be­ra­tung und einen Arzt indi­vi­du­ell berech­net, kon­trol­liert und über­wacht.

Vagus­nerv­sti­mu­la­ti­on (VNS)

Ein VNS ist eine wei­te­re Opti­on, wel­che ver­mehrt bei the­ra­pie­re­sis­ten­ten Epi­lep­sien ein­ge­setzt wird. Es gibt eine Stu­die mit 8 Dra­vet-Pati­en­ten (Zam­po­ni et al., EJPN 15, 2011), die bei der Hälf­te der Teil­neh­mer >50% Anfalls­re­duk­ti­on ver­zeich­nen konn­te.

Inter­dis­zi­pli­nä­res Team

Das Dra­vet-Syn­drom ist eine sehr facet­ten­rei­che Erkran­kung. Vie­le ver­schie­de­ne Ärz­te, The­ra­peu­ten und Päd­ago­gen beglei­ten neben den Eltern ein Dra­vet-Kind. Ein stän­di­ger Aus­tausch zwi­schen allen Insti­tu­tio­nen wäre wün­schens­wert und für die opti­ma­le För­de­rung not­wen­dig.

Zum inter­dis­zi­pli­nä­ren Team gehö­ren: Ärz­te (Kinderarzt/​Hausarzt, Neu­ro­lo­ge, Ortho­pä­de, Psy­cho­lo­ge, ver­ant­wort­li­cher Arzt des SPZ), evtl. ver­sor­gen­des Pfle­ge­per­so­nal, Päd­ago­gen (Früh­för­de­rung, Kin­der­gar­ten, Schu­le), The­ra­peu­ten (Phy­sio­the­ra­pie, Logo­pä­die, Ergo­the­ra­pie, Hip­po­the­ra­pie) und natür­lich die Eltern.

SUDEP

SUDEP ist eine Abkür­zung und steht für den Begriff „Sud­den Unex­pec­ted Death of Epi­lep­sie Pati­ents“. Es ist also der plötz­li­che und uner­war­te­te Tod von Epi­lep­sie-Pati­en­ten. In den aller­meis­ten Fäl­len han­delt es sich dabei um Todes­fäl­le im Schlaf.

Wie häu­fig ist ein SUDEP?

Das Vor­kom­men eines SUDEP wird auf alle Epi­lep­sie­pa­ti­en­ten bezo­gen mit 1% ange­ge­ben. 1% bedeu­tet 1 Todes­fall auf 100 Epi­lep­sie­jah­re. Beim Dra­vet-Syn­drom wird der SUDEP je nach Lite­ra­tur­stel­le mit sehr unter­schied­li­chen Pro­zent­zah­len ange­ge­ben. Die­se lie­gen zwi­schen 5 und 15%. Das heißt, dass 5–15 Pati­en­ten in Bezug auf 100 Epi­lep­sie­le­bens­jah­re an einem SUDEP ver­ster­ben.

Ursa­chen für einen SUDEP?

Die genaue Ursa­che oder Kom­bi­na­tio­nen von Ursa­chen des SUDEPs sind noch unklar. Es gibt aller­dings Ver­mu­tun­gen, die von einer gestör­ten Atmung und/​oder Herz­funk­ti­on (MOR­TE­MUS-Stu­die, Gold­man et al., Curr Opi­ni­on Neu­rol 2015) aus­ge­hen. Die­se Stu­die beinhal­tet alle Epi­lep­sie­pa­ti­en­ten und ist nicht spe­zi­ell auf das Dra­vet-Syn­drom aus­ge­rich­tet.

Stö­run­gen der Atmungs­re­gu­la­ti­on:
Nach einer Atem­pau­se kommt es zu einem Sau­er­stoff­ab­fall (O2) und einem Koh­len­di­oxi­dan­stieg (CO2). Dies führt zu einer Über­säue­rung und damit zu Herz­rhyth­mus­stö­run­gen, die in einem Herz­fre­quenz­ab­fall enden. Ein ande­rer Mecha­nis­mus wäre eine Ver­än­de­rung des Boten­stof­fes Sero­to­nin, der zu Atem­re­gu­la­ti­ons­stö­run­gen führt.

Die ver­än­der­ten Na-Kanä­le kom­men im gesam­ten Hirn also auch in der Atem­re­gu­la­ti­ons­re­gi­on (Hirn­stamm) vor, was gera­de beim Dra­vet-Syn­drom die erhöh­te Rate von SUDEP erklä­ren könn­te.

Stö­run­gen der Herz­funk­ti­on:
Durch einen vor­her­ge­hen­den Anfall kön­nen Herz­rhyth­mus­stö­run­gen aus­ge­löst wer­den. Es kön­nen auch vor­be­stehen­de Rhyth­mus­stö­run­gen (z.B. das Long-QT-Syn­drom) oder Ver­än­de­run­gen des auto­no­men Ner­ven­sys­tems ursäch­lich sein. Gera­de im Fal­le des Dra­vet-Syn­droms ist die gemein­sa­me gene­ti­sche Ver­än­de­rung evtl. ein erhöh­tes Risi­ko. Die ver­än­der­ten Na-Kanä­le kom­men nicht nur im Hirn, son­dern auch im Her­zen vor.

 

Was kann ich tun, um einen SUDEP zu ver­mei­den?

Bekann­te Risi­ko­fak­to­ren sind:

  • Bauch­la­ge
  • frü­her Beginn der Epi­lep­sie
  • männ­li­che Epi­lep­sie­pa­ti­en­ten häu­fi­ger betrof­fen als weib­li­che
  • län­ge­re Epi­lep­sie­dau­er
  • Schlech­te Anfalls­kon­trol­le (= sym­pto­ma­ti­sche Epi­lep­sie)
  • Alter <40 Jah­re (hohes Risi­ko: all­ge­mein: 30. – 40. LJ; bei Dra­vet ins­be­son­de­re auch in den ers­ten Lebens­jah­ren gehäuft)
  • Häu­fig­keit der nächt­li­chen gene­ra­li­sier­ten tonisch-klo­ni­schen Anfäl­le
  • Poly­the­ra­pie

Bekann­te Schutz­fak­to­ren sind u.a.:

  • Ein­schrän­kun­gen der kogni­ti­ven Ent­wick­lung
  • Nächt­li­che Über­wa­chung

Vie­le Risi­ko­fak­to­ren bis auf die Schlaf­po­si­ti­on sind hin­zu­neh­men und nicht ver­än­der­bar. Den Eltern wird gera­ten, wie bei einem plötz­li­chen Kinds­tod des Säug­lings­al­ters vor­zu­ge­hen. Mög­lichst kei­ne Bauch­la­ge, kei­ne Kis­sen oder Ver­wen­dung von Spe­zi­al­kis­sen, Zim­mer­tem­pe­ra­tur im Schlaf zwi­schen 16 und 18°C, Moni­to­ring.

Der behan­deln­de Kin­der­n­eu­ro­lo­ge soll­te die Vor- und Nach­tei­le ver­schie­de­ner Hilfs­mit­tel zur Anfalls­de­tek­ti­on im Schlaf bei Dia­gno­se­stel­lung eines Dra­vet-Syn­droms mit den Eltern bespre­chen.

In die Ent­schei­dung soll­ten fol­gen­de Über­le­gun­gen ein­be­zo­gen wer­den:

  • Auf­tre­ten­de Anfalls­form
  • Auf­tre­ten von Bewe­gun­gen (Gerät, das nur auf Bewe­gung reagiert, kann auch nur bei Anfäl­len mit viel Bewe­gung ein­ge­setzt wer­den!)
  • Sät­ti­gungs-/HF-Ände­run­gen (ein Moni­tor oder Puls­oxy­me­ter kann Anfäl­le nur dann anzei­gen, wenn Sät­ti­gungs- oder Herz­fre­quenz­än­de­run­gen wäh­rend des Anfalls auf­tre­ten)
  • Indi­vi­du­el­le Detek­ti­ons­ra­te
  • Rate an Fehl­alar­men
  • Schlaf­ver­hal­ten
  • Akzep­tanz durch das Kind
  • Eige­ne Belas­tung

Letzt­end­lich ist es eine indi­vi­du­el­le Ent­schei­dung der Eltern, ob und wel­ches Hilfs­mit­tel zur Anfalls­de­tek­ti­on ein­ge­setzt wird.

Was soll ich tun, wenn ich einen SUDEP bemer­ke?

Es gibt immer wie­der auch Eltern, die von einem Fast-SUDEP, also ein SUDEP, der ver­hin­dert wur­de, berich­ten. Das Aller­wich­tigs­te ist trotz der Angst und Panik, die solch eine Situa­ti­on aus­löst, küh­len Kopf bewah­ren und ruhig blei­ben!

Wenn ein Puls­oxy­me­ter oder Moni­tor ange­schlos­sen ist, zei­gen abfal­len­de Sät­ti­gungs- bzw. Puls­wer­te, dass evtl. ein SUDEP vor­liegt. Ist kein Moni­to­ring vor­han­den, kann der Puls an den gro­ßen Hals­schlag­adern oder am Unter­arm hand­wärts an der Sei­te des Dau­mens getas­tet wer­den. Des Wei­te­ren kann das Ohr ein­fach auf den Brust­korb gelegt und ver­sucht wer­den, den Herz­schlag zu hören.

Falls nichts gehört/​ gefühlt wird, sofort per Mund-zu-Mund oder Mund-zu Nase min­des­tens 2 Atem­spen­den geben. Oft fängt das Herz bei Kin­dern nach Atem­spen­den wie­der an, zu schla­gen.

Ist jemand zwei­tes anwe­send, könn­te der Not­arzt inzwi­schen her­bei­ge­ru­fen sein. Ist man allei­ne, soll­te jetzt der Not­arzt geru­fen wer­den. Am bes­ten das Tele­fon auf laut stel­len und mit der Not­ruf­zen­tra­le reden, wäh­rend man abwech­selnd Herz­druck­mas­sa­ge und Atem­spen­den gibt. Den Pati­en­ten dabei auf eine har­te Unter­la­ge (Fuß­bo­den) legen. Eine Reani­ma­ti­on auf einer wei­chen Matrat­ze wird kei­nen Erfolg haben! Um hier ein siche­res Gefühl zu geben, wäre es gut, ein­mal jähr­lich einen Ers­te-Hil­fe-Kurs zu machen, um auf dem Gebiet der Reani­ma­ti­on Kennt­nis­se zu bekom­men.

Trotz guter Über­wa­chung und gut durch­ge­führ­ter Reani­ma­ti­ons­maß­nah­men ist aber nicht jeder SUDEP zu ver­mei­den. Auch die­se Tat­sa­che soll­ten Eltern in ihre Über­le­gun­gen zum Ein­satz von Hilfs­mit­teln ein­be­zie­hen.

Was macht die For­schung in Bezug auf den SUDEP? 

 

Gän­se­blüm­chen – Mein glück­li­ches Leben mit mei­nem behin­der­ten Sohn (Git­ta Becker)

Git­ta Becker über ihr Buch…

Ein ein­zel­nes Gän­se­blüm­chen auf einer abge­mäh­ten Wie­se fin­den – das konn­te nur Andre­as. Wir, sei­ne Fami­lie, wären sicher dar­an vor­bei­ge­gan­gen, ohne es zu sehen, auch wenn er uns gelehrt hat, das zu sehen, was ande­re nie­mals sehen kön­nen. Andre­as hat­te ein Dra­vet­syn­drom, erkrank­te zwei Jah­re nach­dem die­se Krank­heit 1978 das ers­te Mal in der Lite­ra­tur erwähnt wur­de. Lan­ge, sehr lan­ge habe ich den Gedan­ken mit mir getra­gen, über ihn, sei­ne Sym­pto­me, sei­nen Weg zu schrei­ben, weil ich woll­te, dass Eltern, deren Kin­der dar­an erkrankt sind, erfah­ren, dass sie nicht allein sind. Aus die­ser Idee her­aus ent­stand das Buch „Gän­se­blüm­chen“.

Aus dem Buch…

Andre­as ent­wi­ckel­te eine unnach­ahm­li­che Art zu lau­fen und zu ren­nen: Den Ober­kör­per bog er so nach vor­ne, als müs­se er gegen Orkan­bö­en ankämp­fen. Jeder ande­re wäre da unwei­ger­lich umge­kippt. Er nicht, er war so aus­ge­lo­tet. Eine wei­te­re Ent­wick­lungs­ver­zö­ge­rung hat­te Andre­as beim Spre­chen ler­nen. Aus­ser Mama, Papa, Oma, Opa und dada war da nicht sehr viel. Auch hier been­de­ten die rich­ti­gen Medi­ka­men­te die­sen Zustand und Andre­as sprach und das sofort in rela­tiv voll­stän­di­gen Sät­zen. Schimpf­wör­ter, von denen wir dach­ten, er könn­te uns die­se nie­mals nach­spre­chen, plap­per­te er mit einer unglaub­li­chen Leich­tig­keit nach. Bei all sei­nen ver­geb­li­chen Ver­su­chen zu lau­fen oder zu spre­chen behielt er immer sein Lachen, sei­ne Fröh­lich­keit. Er war ein Voll­pro­fi-Clown, der mich auch in den schwers­ten Stun­den immer zum Lachen brach­te. Er fand die­se eine Blu­me auf einer Wie­se, die der Herbst extra für ihn übrig gelas­sen hat. Nie­mals mach­te er den Ein­druck unzu­frie­den zu sein.

Bericht von Git­ta Becker über unser ers­tes Regio­nal­tref­fen in Ber­lin

Keto­ge­ne Dät für Kin­der

von Brit­ta Alag­na

Auf 94 Sei­ten wer­den 72 kin­der­ge­rech­te und pra­xis­er­prob­te Rezep­te zur keto­ge­nen Diät vor­ge­stellt. Alle Rezep­te sind im Ver­hält­nis 4:1 berech­net. Das Buch bie­tet die Mög­lich­keit, eige­ne Berech­nun­gen neben die Rezep­te zu schrei­ben. Zudem ver­mit­telt es zahl­rei­che Tipps und Tricks rund um den keto­ge­nen All­tag. Ein Teil der Erlö­se des Koch­bu­ches kom­men dra­vet­kran­ken Kin­dern zu Gute.

Bestel­lun­gen: hier


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