Wir freu­en uns, heu­te den Gewin­ner der For­schungs-Aus­schrei­bung ‚Call for Pro­po­sals 2020‘ bekannt zu geben. Wir gra­tu­lie­ren Frau Dr. Ulri­ke Hed­rich-Kli­mosch und Ihren Kol­le­gin­nen des Her­tie-Insti­tuts für kli­ni­sche Hirn­for­schung des Uni­ver­si­täts­kli­ni­kums Tübin­gen.

Anfang 2021 star­te­ten wir mit unse­ren Part­nern – Grup­po Fami­g­lie Dra­vet (I), Dra­vet UK (GB), Apo­yo Dra­vet (E), Sticht­ing Dra­vet Syn­d­room Nederland/​Vlaanderen (NL) und der Ver­ei­ni­gung Dra­vet Syn­drom Schweiz (CH) – einen For­schungs­auf­ruf. Ins­ge­samt wur­den 34 sehr inter­es­san­te For­schungs­pro­jek­te ein­ge­reicht.  Frau Dr. Hed­rich und Ihre Kol­le­gin­nen konn­ten sich mit Ihrem Grund­la­gen­for­schungs­pro­jekt den Zuschuss in Höhe von 125.000 EUR sichern.

Ziel des aus­ge­wähl­ten Pro­jekts ist die Unter­su­chung eines Mecha­nis­mus in der Patho­phy­sio­lo­gie des Dra­vet-Syn­droms. Dabei wer­den die Inter­ak­tio­nen zwi­schen unter­schied­li­chen Zell­ty­pen genau betrach­tet und inwie­fern die­se inter­agie­ren­den Zel­len vom Gen­de­fekt betrof­fen sind.

Das Team beschreibt ihr Pro­jekt wie folgt:

Beim Dra­vet-Syn­drom (DS) kommt es zu einer Ver­än­de­rung der neu­ro­na­len Akti­vi­tät im Gehirn, was durch Muta­tio­nen im SCN1A-Gen, wel­ches den Natri­um­ka­nal NaV1.1 kodiert, ver­ur­sacht wird. Es hat sich gezeigt, dass die­se Muta­tio­nen vor allem die Funk­ti­on hem­men­der Ner­ven­zel­len, wel­che die NaV1.1‑Kanäle exprimieren,verändern. Dies beein­träch­tigt die Kom­mu­ni­ka­ti­on zwi­schen den Neu­ro­nen und führt letzt­lich zu einer gerin­ge­ren Hem­mung und Über­er­reg­bar­keit.

Neu­ro­ne sind in kom­ple­xe Netz­wer­ke ein­ge­bet­tet, die unter­ein­an­der, aber auch mit ande­ren Zell­ty­pen, z. B. Oli­go­den­dro­zy­ten, in Kon­takt ste­hen. Oli­go­den­dro­zy­ten sind für die Mye­lin­schei­den ver­ant­wort­lich, wel­che die Axo­ne bestimm­ter Neu­ro­ne umhül­len. Die­se Hül­len die­nen als „Draht­iso­lie­rung“, sie schüt­zen die Axo­ne und beschleu­ni­gen ihre Wei­ter­lei­tung. Obwohl Oli­go­den­dro­zy­ten und ihre Vor­läu­fer (OPCs) einen gemein­sa­men embryo­na­len Ursprung mit hem­men­den Neu­ro­nen haben und auch wäh­rend der Ent­wick­lung stark inter­agie­ren, wur­de bis­her nicht unter­sucht, ob sie auch von SCN1A-Muta­tio­nen betrof­fen sind. Im embryo­na­len Gehirn ent­wi­ckeln sich OPCs zusam­men mit Neu­ro­nen, aber im Gegen­satz zu Neu­ro­nen behal­ten sie ihre Fähig­keit, sich zu tei­len und neue Zel­len zu bil­den, ein Leben lang bei.

Kürz­lich wur­de beschrie­ben, dass die Mye­li­ni­sie­rung bei DS-Pati­en­ten gestört ist. Obwohl wir wis­sen, dass hem­men­de Neu­ro­ne und OPCs mit­ein­an­der inter­agie­ren, ist noch nicht bekannt, wie die­se Inter­ak­ti­on bei DS ver­än­dert ist und wel­che Fol­gen die­se Ver­än­de­run­gen für die Gehirn­funk­ti­on haben. In unse­rem Pro­jekt wol­len wir daher unter­su­chen, wie sich SCN1A-Muta­tio­nen auf Oli­go­den­dro­zy­ten und deren Inter­ak­ti­on mit Neu­ro­nen aus­wir­ken und ob die Mye­li­ni­sie­rung im Gehirn ins­ge­samt beein­träch­tigt ist.

Unse­re Schlüs­sel­fra­gen sind daher, (i) ob die Ver­tei­lung des Natri­um­ka­nals NaV1.1 an bestimm­ten Stel­len des Neu­rons, an denen Akti­ons­po­ten­zia­le erzeugt und wei­ter­ge­lei­tet wer­den, in einem DS-Maus­mo­dell ver­än­dert ist, (ii) ob eine SCN1A-Muta­ti­on die phy­sio­lo­gi­schen Eigen­schaf­ten von Neu­ro­nen und OPCs und ihre Inter­ak­tio­nen ver­än­dert, und (iii) ob die Mye­li­ni­sie­rung durch SCN1A-Muta­tio­nen ver­än­dert wird.

Zur Beant­wor­tung die­ser Fra­gen wer­den wir die soge­nann­te Super-Reso­lu­ti­on-Mikro­sko­pie ein­set­zen, um zu ana­ly­sie­ren, wie Ionen­ka­nä­le in Neu­ro­nen, ins­be­son­de­re NaV1.1, ver­teilt sind und wie sich dies in Zel­len ver­än­dert, die aus einem DS-Maus­mo­dell iso­liert wur­den. Wir wer­den Neu­ro­nen und OPCs von gesun­den Kon­troll- und DS-Mäu­sen iso­lie­ren und kul­ti­vie­ren und durch Ko-Kul­ti­vie­rung ihre Akti­vi­tät mes­sen und ihre Reak­ti­on auf elek­tri­sche Sti­mu­li bewer­ten. Dies wird Auf­schluss dar­über geben, ob ihre Inter­ak­ti­on durch die Muta­ti­on ver­än­dert ist. Dar­über hin­aus wer­den wir die Gehir­ne von juve­ni­len und erwach­se­nen gesun­den Kon­troll- und DS-Mäu­sen ana­ly­sie­ren und unter­su­chen, ob es Unter­schie­de in der Mye­lin­men­ge zwi­schen ihnen gibt.

Unse­re For­schung wird einen neu­en patho­phy­sio­lo­gi­schen Mecha­nis­mus von DS cha­rak­te­ri­sie­ren, näm­lich die Neu­ron-Oli­go­den­dro­zy­ten Inter­ak­ti­on, um neue Behand­lungs­stra­te­gien zu ent­wi­ckeln.

Wir wün­schen Frau Dr. Hed­rich-Kli­mosch und Ihren Kol­le­gin­nen viel Spaß und maxi­ma­len Erfolg bei Ihrer For­schungs­ar­beit und hof­fen auf Ergeb­nis­se, die uns der Hei­lung näher­brin­gen.

Für wei­te­re Infos zur For­schungs­grup­pe, bit­te hier kli­cken.

Wei­te­re Info-Links zum bes­se­ren Ver­ständ­nis:

Was bedeu­tet Mye­li­ni­sie­rung und wel­che Aus­wir­kun­gen hat sie?

https://www.dasgehirn.info/grundlagen/struktur-und-funktion/highspeed-dank-myelin

https://de.wikipedia.org/wiki/Myelin

Wie funk­tio­niert ein Oli­go­den­dro­zyt?

https://www.wingsforlife.com/de/aktuelles/wie-funktioniert-ein-oligodendrozyt-783/

Wie war das noch­mal mit der Ner­ven­fa­ser?

https://de.wikipedia.org/wiki/Nervenfaser