Prof. Dr. Peter Mar­tin, am Epi­lep­sie­zen­trum Kork tätig und Lei­ter der Ségu­in-Kli­nik, hat einen beein­dru­cken­den beruf­li­chen Wer­de­gang hin­ter sich. Sei­ne medi­zi­ni­sche Rei­se führ­te ihn von Mar­burg über Ber­lin und Mün­chen bis nach Basel und zu wei­te­ren renom­mier­ten Sta­tio­nen. Seit vie­len Jah­ren ist er Mit­glied im medi­zi­ni­schen Bei­rat des Dra­vet-Syn­drom e.V. Wir spra­chen mit ihm über sei­nen Wer­de­gang und sein Enga­ge­ment in unse­rem Ver­ein.

Erzäh­len Sie uns mehr über Ihren medi­zi­ni­schen Hin­ter­grund.

Ich habe mein Medi­zin­stu­di­um in Mar­burg, Ber­lin und Mün­chen absol­viert und mein prak­ti­sches Jahr in Basel ver­bracht. Nach dem Staats­examen und mei­ner Pro­mo­ti­on begann ich eine Fach­arzt­aus­bil­dung sowohl in der Psych­ia­trie als auch in der Neu­ro­lo­gie. Mei­ne beruf­li­chen Sta­tio­nen führ­ten mich unter ande­rem nach Hei­del­berg, Zürich, Ulm und Frei­burg.

Seit 1994 bin ich am Epi­lep­sie­zen­trum Kork tätig, zunächst als Ober­arzt der Erwach­se­nen­kli­nik. Wäh­rend mei­ner Zeit dort konn­te ich meh­re­re Mona­te als Gast­arzt an der Uni­ver­si­täts­kli­nik für Epi­lep­to­lo­gie in Bonn ver­brin­gen.

Im Epi­lep­sie­zen­trum Kork war ich über vie­le Jah­re hin­weg für die prä­ope­ra­ti­ve Dia­gnos­tik zustän­dig. Dabei fiel mir auf, dass die epi­lep­sie­chir­ur­gi­sche For­schung und Behand­lung sehr stark im Fokus stan­den, wäh­rend Pati­en­ten mit Epi­lep­sien in Ver­bin­dung mit intel­lek­tu­el­len oder neu­ro­na­len Ent­wick­lungs­stö­run­gen weni­ger Beach­tung fan­den. Die­ses Ungleich­ge­wicht hat mich moti­viert, eine Spe­zi­al­am­bu­lanz für die­se Pati­en­ten­grup­pe zu grün­den. Dar­aus ent­wi­ckel­te sich spä­ter das ers­te Medi­zi­ni­sche Zen­trum für Erwach­se­ne mit Behin­de­rung (MZEB) sowie eine eige­ne Bet­ten­ab­tei­lung, die heu­te als Ségu­in-Kli­nik bekannt ist. Die­se Kli­nik lei­te ich bis heu­te.

Was hat Sie dazu bewegt, sich im Medi­zi­ni­schen Bei­rat des Dra­vet-Syn­drom e.V. zu enga­gie­ren?

Zu den ers­ten Pati­en­ten in mei­ner neu gegrün­de­ten Kli­nik gehör­te ein jun­ger Mann mit schwer behan­del­ba­rer Epi­lep­sie, beson­de­ren Ver­hal­tens­wei­sen und einer aus­ge­präg­ten Bewe­gungs­stö­rung. Als die mole­ku­lar­ge­ne­ti­sche Dia­gnos­tik zuneh­mend ver­füg­bar wur­de, konn­te bei ihm eine SCN1A-Muta­ti­on nach­ge­wie­sen wer­den. Dies ließ mich auf­hor­chen, denn ich erin­ner­te mich an zahl­rei­che wei­te­re Pati­en­tin­nen und Pati­en­ten mit ähn­li­chem Ver­hal­ten und Bewe­gungs­mus­tern. Bei vie­len von ihnen wur­de spä­ter eben­falls eine SCN1A-Muta­ti­on fest­ge­stellt.

Die­se Erkennt­nis­se brach­ten mich dazu, eine Dok­tor­ar­beit zu die­sem The­ma an der Uni­ver­si­tät Frei­burg anzu­bie­ten, die ich eng beglei­te­te. Die Ergeb­nis­se wur­den schließ­lich in der Fach­zeit­schrift „Epi­le­psy & Beha­vi­or“ publi­ziert.

Im Lau­fe der Jah­re habe ich einen regen Aus­tausch mit Char­lot­te Dra­vet gepflegt, ins­be­son­de­re per E‑Mail. Als mir ange­bo­ten wur­de, im Medi­zi­ni­schen Bei­rat des Dra­vet-Syn­drom e.V. mit­zu­wir­ken, war es für mich eine Selbst­ver­ständ­lich­keit, die­ses Enga­ge­ment anzu­neh­men.

Wel­che Auf­ga­ben sehen Sie für den Medi­zi­ni­schen Bei­rat des Ver­eins?

Die wich­tigs­te Auf­ga­be des Medi­zi­ni­schen Bei­rats sehe ich dar­in, sich aktiv mit den Pro­ble­men aus­ein­an­der­zu­set­zen, die von betrof­fe­nen Fami­li­en und dem Vor­stand an uns her­an­ge­tra­gen wer­den. Wir soll­ten nicht nur medi­ka­men­tö­se Behand­lungs­op­tio­nen dis­ku­tie­ren, son­dern auch wis­sen­schaft­li­che Ana­ly­sen zu Ver­hal­tens­be­son­der­hei­ten durch­füh­ren und mög­li­che the­ra­peu­ti­sche Inter­ven­tio­nen ent­wi­ckeln.

Ein wei­te­rer zen­tra­ler Punkt ist die Auf­klä­rung und Unter­stüt­zung der Fami­li­en. Vie­le Eltern haben gro­ße Ängs­te im Hin­blick auf die Gefähr­dung durch epi­lep­ti­sche Anfäl­le. Hier set­zen wir uns dafür ein, Stra­te­gien zu ent­wi­ckeln, um das Risi­ko best­mög­lich zu mini­mie­ren und eine bes­se­re Lebens­qua­li­tät für die Betrof­fe­nen zu errei­chen.

Ent­schei­dend für die erfolg­rei­che Arbeit des Medi­zi­ni­schen Bei­rats ist ein kol­le­gia­les Mit­ein­an­der – sowohl inner­halb des Bei­rats als auch mit dem Vor­stand und jedem ein­zel­nen Ver­eins­mit­glied. Nur durch die­sen engen Aus­tausch kön­nen wir nach­hal­ti­ge Lösun­gen erar­bei­ten und Dra­vet-Betrof­fe­ne sowie ihren Fami­li­en best­mög­lich hel­fen.

Vie­len Dank für das Inter­view und Ihr Enga­ge­ment!