Die jüngs­te Ankün­di­gung sorgt für ech­ten Opti­mis­mus in der Dra­vet-Gemein­schaft: Die US-Arz­nei­mit­tel­be­hör­de FDA hat der Gen­the­ra­pie ETX101 des ame­ri­ka­ni­schen Phar­ma­un­ter­neh­mes Encoded The­ra­peu­tics den Rege­ne­ra­ti­ve Medi­ci­ne Advan­ced The­ra­py (RMAT)-Status ver­lie­hen. Der RMAT-Sta­tus ist eine spe­zi­el­le Zulas­sung der US-Behör­de FDA, die viel­ver­spre­chen­den The­ra­pien für schwe­re oder lebens­be­droh­li­che Erkran­kun­gen eine beschleu­nig­te Ent­wick­lung und Prü­fung ermög­licht.

Was bedeu­tet das kon­kret?

Für das Gen­the­ra­pie-Pro­jekt ETX101 gibt es Rücken­wind von den Zulas­sungs­be­hör­den. Die US-Arz­nei­mit­tel­be­hör­de FDA hat dem Prä­pa­rat den RMAT-Sta­tus (Rege­ne­ra­ti­ve Medi­ci­ne Advan­ced The­ra­py) ver­lie­hen. Mit dem RMAT-Sta­tus reagiert die FDA auf ers­te kli­ni­sche Hin­wei­se, dass ETX101 eine bis­lang zen­tra­le Lücke bei der Behand­lung des Dra­vet-Syn­droms schlie­ßen könn­te – ins­be­son­de­re durch eine deut­li­che Ver­rin­ge­rung der Anfalls­häu­fig­keit. Neben dem RMAT hat ETX101 von der FDA bereits die Son­der­zu­las­sun­gen Fast Track, Rare Pedia­tric Dise­a­se und Orphan Drug Desi­gna­ti­ons erhal­ten und zusätz­lich von der Euro­päi­schen Arz­nei­mit­tel­be­hör­de EMA die Orphan Desi­gna­ti­on. Die­se Kom­bi­na­ti­on zeigt, dass das Pro­jekt in den USA als auch in Euro­pa auf höchs­ter regu­la­to­ri­scher Ebe­ne unter­stützt wird und einen beschleu­nig­ten Weg gehen darf.

Wie wirkt ETX101?

ETX101 ist eine Gen­the­ra­pie, die direkt an der Ursa­che des Dra­vet-Syn­droms ansetzt: Muta­tio­nen im SCN1A-Gen. Im Gegen­satz zu ande­ren in der Ent­wick­lung befind­li­chen Ansät­zen han­delt es sich um eine bis­her ein­ma­li­ge, krank­heits­mo­di­fi­zie­ren­de Gen­the­ra­pie.

Die The­ra­pie basiert auf dem AAV9-Vek­tor. Dabei han­delt es sich um ein abge­schwäch­tes Virus („ade­no-asso­zi­ier­tes Virus“), das gezielt als Trans­port­mit­tel dient. AAV9 kann Erb­gut sicher in Ner­ven­zel­len ein­schleu­sen und ist des­halb beson­ders geeig­net, um Gene im Gehirn zu regu­lie­ren – ohne selbst eine Erkran­kung aus­zu­lö­sen.

Das Ziel von ETX101 ist es, die Pro­duk­ti­on des Pro­te­ins NaV1.1 in hem­men­den Ner­ven­zel­len zu stei­gern. Die­ses Pro­te­in bil­det Natri­um­ka­nä­le, die für die Wei­ter­lei­tung elek­tri­scher Signa­le im Gehirn unver­zicht­bar sind. Gera­de in hem­men­den Inter­neu­ro­nen spie­len sie eine Schlüs­sel­rol­le: Sie wir­ken wie eine Brem­se und ver­hin­dern, dass das Gehirn in eine Über­ak­ti­vi­tät gerät.

Fehlt die­se Brem­se – wie beim Dra­vet-Syn­drom infol­ge eines defek­ten SCN1A-Gens – kippt das Gleich­ge­wicht zwi­schen erre­gen­den und hem­men­den Signa­len. Die Fol­ge sind schwe­re epi­lep­ti­sche Anfäl­le und wei­te­re neu­ro­lo­gi­sche Pro­ble­me.

ETX101 soll genau die­ses Gleich­ge­wicht wie­der­her­stel­len: Durch die geziel­te Akti­vie­rung des SCN1A-Gens in den betrof­fe­nen Ner­ven­zel­len könn­te die NaV1.1‑Produktion nor­ma­li­siert wer­den. Damit ver­bin­den sich nicht nur Hoff­nun­gen auf deut­lich weni­ger Anfäl­le, son­dern auch auf Ver­bes­se­run­gen bei ande­ren Sym­pto­men der Erkran­kung.

Ers­te prä­kli­ni­sche Stu­di­en lie­fer­ten bereits viel­ver­spre­chen­de Hin­wei­se, dass die­ser Ansatz funk­tio­nie­ren könn­te.

POLA­RIS-Stu­di­en und nächs­te Schrit­te

Die kli­ni­sche Ent­wick­lung fin­det aktu­ell im Rah­men des POLA­RIS-Pro­gramms in den USA, Groß­bri­tan­ni­en und Aus­tra­li­en statt. Dabei wer­den Sicher­heit, Ver­träg­lich­keit und ers­te Hin­wei­se auf Wirk­sam­keit unter­sucht. Die Ein­schrei­bung in die Dosis­es­ka­la­ti­ons­stu­di­en soll bis Ende 2025 abge­schlos­sen sein. Noch im sel­ben Jahr rech­net man mit ers­ten Zwi­schen­er­geb­nis­sen zur Wirk­sam­keit, ein wich­ti­ger Moment für For­schung und Fami­li­en.

Par­al­lel dazu hat Encoded in North Caro­li­na eine eige­ne GMP-Her­stel­lungs­an­la­ge, eine streng regu­lier­te Pro­duk­ti­ons­stät­te, in der das Arz­nei­mit­tel nach höchs­ten Qua­li­täts- und Sicher­heits­stan­dards her­ge­stellt wer­den kann. So sichert das Unter­neh­men die Pro­duk­ti­on für kli­ni­sche Stu­di­en ab und schafft die Grund­la­ge für eine mög­li­che spä­te­re Kom­mer­zia­li­sie­rung.

Was bedeu­tet das für Euro­pa und Deutsch­land?

Wäh­rend die FDA in den USA den RMAT-Sta­tus ver­ge­ben hat, ist in Euro­pa die Euro­päi­sche Arz­nei­mit­tel­agen­tur (EMA) zustän­dig. ETX101 hat dort bereits die Orphan Drug Desi­gna­ti­on erhal­ten, was zeigt, dass die The­ra­pie auch hier als beson­ders wich­tig aner­kannt wird. Stu­di­en lau­fen bis­her nicht in Deutsch­land, son­dern in den USA, im Ver­ei­nig­ten König­reich und Aus­tra­li­en. Für eine regu­lä­re Ver­schrei­bung in Euro­pa braucht es spä­ter eine EMA-Zulas­sung. Häu­fig rei­chen Fir­men die­sel­ben Stu­di­en­da­ten par­al­lel bei bei­den Behör­den ein, sodass, wenn alles posi­tiv ver­läuft, eine Zulas­sung in Euro­pa mit etwas zeit­li­chem Abstand zur FDA erfol­gen kann. Zusätz­lich bie­tet die EMA mit dem PRIME-Pro­gramm („PRIo­ri­ty MEdi­ci­nes“) ein eige­nes beschleu­nig­tes Ver­fah­ren, das Encoded in Zukunft eben­falls bean­tra­gen könn­te.

Wie könn­te der Weg zur Zulas­sung aus­se­hen?

Durch den RMAT-Sta­tus erhält ETX101 eine beson­ders enge Betreu­ung durch die FDA. Das bedeu­tet, dass die Behör­de schon früh mit dem Unter­neh­men über eine mög­li­che Zulas­sung spre­chen kann – auch dann, wenn zunächst nur Ergeb­nis­se aus soge­nann­ten Bio­mar­kern oder Zwi­schen­schrit­ten vor­lie­gen. Bio­mar­ker sind mess­ba­re Anzei­chen im Kör­per, etwa bestimm­te Eiwei­ße im Blut oder Ver­än­de­run­gen in Ner­ven­zel­len, die zei­gen, ob eine The­ra­pie wirkt. Auf die­se Wei­se muss nicht unbe­dingt auf sehr gro­ße und lang­wie­ri­ge Stu­di­en gewar­tet wer­den, bevor ein Zulas­sungs­ver­fah­ren star­ten kann.

Hoff­nung für Dra­vet-Betrof­fe­ne

Der RMAT-Sta­tus macht deut­lich: ETX101 zählt zu den viel­ver­spre­chends­ten Ansät­zen in der Dra­vet-For­schung. Der Weg bleibt anspruchs­voll, doch mit jedem Schritt wächst die Chan­ce, Kin­dern mit Dra­vet-Syn­drom künf­tig neue Per­spek­ti­ven zu eröff­nen.

Zur voll­stän­di­gen Pres­se­mit­tei­lung von Encoded The­ra­peu­tics gelangt ihr hier.

Wir hal­ten Euch über alle Neu­ig­kei­ten rund um ETX101 hier auf dem Blog auf dem Lau­fen­den.