Emma hat­te ihren ers­ten Anfall mit 13 Wochen. Bereits zwei Mona­te spä­ter erhält die Fami­lie aus Baden-Würt­tem­berg die Dia­gno­se Dra­vet-Syn­drom. Ihre Mama Sil­ke teilt Emmas Geschich­te.

Kannst Du uns etwas über Emmas ers­ten Anfall erzäh­len?

Mit 13 Wochen erhielt Emma ihre ers­te 7‑fach-Imp­fung. Am sel­ben Abend hat­te sie beim Wickeln ihren ers­ten gene­ra­li­sier­ten tonisch-klo­ni­schen Anfall. Der Anfall äußer­te sich klas­sisch durch Zuckun­gen am gan­zen Kör­per und Schaum vor dem Mund.

Wie ging es dann wei­ter?

Ab die­sem Zeit­punkt hat­te sie wöchent­lich min­des­tens einen Anfall die­ser Art. Zusätz­lich tra­ten vie­le foka­le Anfäl­le auf, die wir dar­an bemerk­ten, dass sie bei­spiels­wei­se in der Baby­scha­le plötz­lich die Augen scharf nach rechts oder links dreh­te. Es gab auch Absen­cen, die kaum auf­fie­len – sie reagier­te ein­fach nicht mehr. In den ers­ten Lebens­mo­na­ten zeig­te Emma nahe­zu alle Arten von Anfalls­for­men.

Wann und wie wur­de bei Emma das Dra­vet-Syn­drom dia­gnos­ti­ziert? Gab es spe­zi­fi­sche Anzei­chen, die zur Dia­gno­se geführt haben?

Nach ihrem ers­ten Anfall wur­den zahl­rei­che Unter­su­chun­gen wie EEG, Lum­bal­punk­ti­on und Bild­ge­bung im Kran­ken­haus durch­ge­führt. Die­se Unter­su­chun­gen wie­der­hol­ten sich wöchent­lich, da Emma jede Woche einen neu­en Anfall hat­te. Zunächst waren die Ergeb­nis­se unauf­fäl­lig, bis schließ­lich ein epi­lep­sie­ty­pi­sches Mus­ter im EEG fest­ge­stellt wur­de.

Ich ver­mu­te­te früh, dass es sich um das Dra­vet-Syn­drom han­deln könn­te, doch die Ärz­te waren skep­tisch, da nicht alle Sym­pto­me pass­ten. Schließ­lich bestand ich auf einem Gen­test. Nach Rück­spra­che mit Dr. Bast aus der Epi­lep­sie­kli­nik Kehl-Kork wur­de der Test durch­ge­führt. Zwei Mona­te nach Emmas ers­tem Anfall, bei unse­rem ers­ten Ter­min in Kehl-Kork, bestä­tig­te Dr. Bast die Dia­gno­se Dra­vet-Syn­drom.

Wie hat sich das Leben für Euch als Fami­lie seit der Dia­gno­se­stel­lung ver­än­dert?

Unser All­tag dreht sich um Emma. Ich kämp­fe oft mit Behör­den und Kran­ken­kas­sen, um not­wen­di­ge Unter­stüt­zung zu erhal­ten, was sehr anstren­gend ist. Da Emma auch nachts krampft und auf­grund ihres Autis­mus kei­ne Moni­to­re tole­riert, über­wa­che ich sie über eine Kame­ra. Dadurch habe ich selbst Schlaf­pro­ble­me. Hil­fe im All­tag haben wir kei­ne, und Kurz­zeit­pfle­ge haben wir bis­her nicht in Anspruch genom­men. Fami­li­en­ur­lau­be sind prak­tisch unmög­lich, da wir uns immer auf­tei­len müs­sen. Inso­fern „lei­det“ eigent­lich jeder in der Fami­lie auf sei­ne Wei­se, da es schwer ist, jedem gerecht zu wer­den. Die Bedürf­nis­se von Emmas Geschwis­tern rücken lei­der oft in den Hin­ter­grund.

Wel­che Her­aus­for­de­run­gen stel­len sich im All­tag mit einem Kind mit Dra­vet- Syn­drom?

Die Betreu­ung erfor­dert viel Pla­nung und Orga­ni­sa­ti­on. Wir müs­sen stän­dig vor­be­rei­tet sein: Not­fall­me­di­ka­men­te, Spe­zi­al­nah­rung und Kran­ken­haus­nä­he sind immer im Blick. Arzt- und The­ra­pie­ter­mi­ne bestim­men unse­ren All­tag. All­täg­li­che Unter­neh­mun­gen sind schwie­rig, beson­ders wegen Emmas Weg­lauf­ten­denz. Die Haus­tür ist immer abge­schlos­sen, und Emma darf nie unbe­auf­sich­tigt sein.

Wie geht Ihr als Eltern mit den emo­tio­na­len Belas­tun­gen um, die mit der Betreu­ung eines Kin­des mit einer schwe­ren neu­ro­lo­gi­schen Erkran­kung ein­her­ge­hen?

Wenn bei­de Eltern berufs­tä­tig sind und man kei­ne Unter­stüt­zung im All­tag hat, muss man immer einen Plan B haben und auf Abruf bereit­ste­hen. Mein Mann arbei­tet Voll­zeit, dadurch bleibt viel an mir hän­gen. Das wirkt sich auch auf mei­ne phy­si­sche und psy­chi­sche Gesund­heit aus. Emmas Krank­heit belas­tet unse­re Bezie­hung sehr. Eigent­lich leben wir nur noch als Eltern zusam­men.

Wel­che Art von Unter­stüt­zung und Behand­lung erhält Emma für ihr Dra­vet- Syn­drom?

Der­zeit bekommt Emma Phy­sio­the­ra­pie, und nach vier Jah­ren Zwangs­pau­se end­lich wie­der Ergo­the­ra­pie. Frü­her besuch­te ich mit ihr ver­schie­de­ne The­ra­pien, dar­un­ter Autismus‑, Ergo‑, Logo‑, Physio‑, sowie Reit­the­ra­pie. Durch Coro­na und feh­len­de The­ra­pie­plät­ze ist lei­der viel weg­ge­bro­chen. Eine Ent­wick­lungs­dia­gnos­tik ist in Pla­nung, aber wir ste­hen noch auf der War­te­lis­te. Emma hat ein Taxi, das sie zur Schu­le bringt, und eine Schul­be­glei­tung. Mehr Unter­stüt­zung haben wir nicht.

Wie geht es Emma jetzt?

Neben ihrer schwe­ren, nicht ein­stell­ba­ren Epi­lep­sie – sie hat wei­ter­hin ein bis zwei Grand-Mal-Anfäl­le pro Woche – lei­det sie an star­kem Autis­mus, Ata­xie und Sprach­pro­ble­men. Geis­tig ist sie auf dem Ent­wick­lungs­stand einer Zwei­jäh­ri­gen und spricht nur ein­zel­ne Wör­ter. Ansons­ten ist Emma ein fröh­li­ches Kind.

Wel­che Hoff­nung und Träu­me hast Du für die Zukunft von Emma?

Ich wün­sche mir bes­se­re För­der­mög­lich­kei­ten, damit Emma ihre Fähig­kei­ten best­mög­lich ent­wi­ckeln kann. Sie wird immer auf Unter­stüt­zung ange­wie­sen sein und kein eigen­stän­di­ges Leben füh­ren kön­nen. Für die Zukunft hof­fe ich auf ein lie­be­vol­les Wohn­heim für sie, aber solan­ge ich gesund­heit­lich fit bin, soll Emma bei uns blei­ben. Ich hof­fe, dass ihre Anfäl­le sel­te­ner und weni­ger belas­tend wer­den.

Wel­chen Rat möch­test Du Fami­li­en auf den Weg geben, die erst vor kur­zem die Dia­gno­se Dra­vet erhal­ten haben?

Akzep­tiert Euer Schick­sal mit einem Lächeln und gebt nie­mals die Hoff­nung auf. Ver­traut auf Euer Bauch­ge­fühl, denn Ärz­te sind kei­ne unfehl­ba­ren Göt­ter in Weiß. Unse­re beson­de­ren Kin­der schen­ken uns eine neue Per­spek­ti­ve auf das Leben. Trotz aller Her­aus­for­de­run­gen berei­chern sie unser Leben auf ein­zig­ar­ti­ge Wei­se. Ich könn­te mir ein Leben ohne Emma nie­mals vor­stel­len, auch wenn das Leben oft nicht ein­fach ist. Sie hat mir unbe­wusst so vie­les bei­gebracht, was mich zu einem bes­se­ren Men­schen macht.

Gibt es etwas, was Ihr unbe­dingt los­wer­den möch­tet?

Es soll­te für Eltern wie uns ein­fa­cher sein, bei Kran­ken­kas­sen und Behör­den Unter­stüt­zung zu erhal­ten. Eltern soll­ten mehr Mit­spra­che­recht haben, anstatt Ent­schei­dun­gen von Men­schen tref­fen zu las­sen, die das Kind kaum ken­nen.

Vie­len Dank.