Die siebenjährige Emma aus Sindelfingen hatte ihre ersten kleinen Anfälle mit einem halben Jahr. Mit 15 Monaten erhalten ihre Eltern Hanno und Claudia die Diagnose Dravet. Emmas Mama Claudia teilt ihre Geschichte.
Könnt Ihr uns etwas über Emmas erste Anfälle erzählen?
Emma hatte die ersten Myoklonien mit einem halben Jahr. Zuerst war es immer nur ein Arm, später kamen auch die Beine dazu. Die Ärzte machten alle möglichen Untersuchungen, hatten aber auch keine Ahnung, was das genau sein soll, denn es waren immer nur ganz kurze Momente, meist beim Wickeln oder wenn sie sich sehr anstrengte.
Wie ging es dann weiter?
Mit 8 Monaten hatte Emma ihren ersten Grand Mal im Status, der sehr heftig war. Insgesamt krampfte sie anderthalb Stunden. Die Ärzte nannten es damals noch komplizierter Fieberkrampf. Emma hatte tatsächlich einen Infekt, lag dann auch zwei Wochen im Krankenhaus. Wegen ihrer Vorgeschichte mit den Zuckungen wurde Phenobarbital, ein Antiepileptikum, eindosiert. Von da an krampfte Emma alle drei bis vier Wochen, immer im Status, das Diazepam half nie. Sie krampfte immer entweder bei Fieber, beim oder kurz nach dem Baden oder wenn sich neue Zähne ankündigten. Von nun an war das Krankenhaus unser zweites Zuhause, die Angst Emma zu verlieren unfassbar groß und wir völlig verunsichert. Die Ärzte waren ratlos.
Wann und wie wurde bei Emma das Dravet-Syndrom diagnostiziert? Gab es spezifische Anzeichen, die zur Diagnose geführt haben?
Irgendwann waren wir so weit, dass wir uns mit den Aussagen der Ärzte unseres örtlichen Krankenhauses nicht mehr zufriedengeben wollten. Wir suchten Antworten. Deshalb wendeten wir uns an die Spezialisten in der Uniklinik. Dort wurde umgehend ein Gentest veranlasst. Worauf getestet werden sollte, verrieten sie uns erst nicht. Als sich ein paar Wochen später aber ein Arzt verplapperte und ich daraufhin anfing zu googeln, war mir sofort klar, dass es das Dravet-Syndrom sein musste. Als Emma 15 Monate alt war, erhielten wir das eindeutige Ergebnis einer Mutation im SCN1A-Gen. Unsere Welt brach erst einmal zusammen.
Wie hat sich das Leben für Euch als Familie seit der Diagnosestellung verändert?
Anfangs hatten wir extrem viel Angst. Angst vor den Anfällen, Angst vor der ungewissen Zukunft. Seitdem sind einige Jahre vergangen und wir haben gelernt, mit den Ängsten umzugehen. Emma krampft nur bei Infekten, sodass wir ansonsten mittlerweile recht entspannt sind. Wir haben gelernt, mit ihren Eigenarten und Besonderheiten umzugehen. Im Dravet-Syndrom e.V. haben wir wunderbare Menschen gefunden, die jederzeit mit Rat und Tat zur Seite stehen. So fühlen wir uns nicht ganz so alleine mit dieser seltenen Diagnose, denn im Familien- und Freundeskreis sind die Menschen zwar hilfsbereit und unterstützend, aber wirklich hineinfühlen und nachvollziehen kann unsere Sorgen keiner.
Welche Herausforderungen stellen sich im Alltag mit einem Kind mit Dravet-Syndrom?
Emma hat nur noch selten Anfälle. Hinzu kommen die Komorbiditäten des Dravet-Syndroms. Emma hat eine geistige Behinderung, eine globale Entwicklungsverzögerung und Autismus. Außerdem hat sie auch in der motorischen Entwicklung Einschränkungen. Dadurch ist sie dauerhaft auf unsere Hilfe angewiesen und braucht viel mehr Fürsorge als beispielsweise ihr jüngerer Bruder Julian. Das gibt immer wieder Streitigkeiten, da er das manchmal nicht versteht. Ansonsten ist unser Alltag geprägt durch Therapien, Arztbesuche und Verhandlungen mit der Krankenkasse.
Wie geht Ihr als Eltern mit den emotionalen Belastungen um, die mit der Betreuung eines Kindes mit einer schweren neurologischen Erkrankung einhergehen?
Ich selbst war einige Jahre in psychologischer Betreuung. Mittlerweile habe ich mich verschiedenen Selbsthilfegruppen angeschlossen, in denen ich viel Input und Austausch finde. Dort finden auch regelmäßig Coachings statt, die mir im Umgang mit Emmas Behinderung helfen.
Welche Art von Unterstützung und Behandlung erhält Emma für ihr Dravet-Syndrom?
Medikamentös ist sie schon seit viereinhalb Jahren auf Frisium und Topiramat eingestellt. Seitdem hat sie nur noch zwei bis drei Anfälle im Jahr, die auch nicht mehr im Status enden, sondern in den allermeisten Fällen nach weniger als einer Minute von selbst wieder aufhören. Neben den Medikamenten erhält sie Logopädie, Ergotherapie und therapeutisches Reiten. Einige Zeit trug sie auch Orthesen, die sind aber momentan nicht mehr nötig.
Wie geht es Emma jetzt?
Emma ist ein total zufriedenes und glückliches Kind. Sie geht in die erste Klasse und liebt ihre Schule über alles. Sie hat in den letzten Jahren extrem viele Fortschritte gemacht, kann mittlerweile recht verständlich sprechen, rennt, hüpft, springt und entdeckt ihre Welt. Emma liebt Zahlen und Buchstaben, spielt gerne mit Tieren, beginnt erste Worte zu lesen und ist super gerne draußen in der Natur. Sie fährt mit ihrem Therapierad durch den Wald, geht schwimmen und ist durch ihr aufgeschlossenes und angstloses Wesen für sehr vieles zu begeistern.
Welche Hoffnung und Träume habt Ihr für die Zukunft von Emma?
Wir hoffen, dass Emma glücklich bleibt. Wir wünschen uns, dass sie selbstständig wird und in einer Wohngruppe leben kann. Es wäre schön, wenn sie eine Arbeit findet, die sie erfüllt und die ihr Spaß macht. Wichtig ist, dass sie immer Menschen um sich herum hat, die ihr wohlgesonnen sind und die sie so annehmen können, wie sie ist.
Welchen Rat möchtet ihr Familien auf den Weg geben, die erst vor kurzem die Diagnose Dravet erhalten haben?
Niemals hätten wir damals am Anfang gedacht, dass Emma mal so viel können wird, wie das nun der Fall ist. Anfangs haben wir uns die Zukunft ganz dunkel ausgemalt, aber Emma hat uns eines Besseren belehrt. Es ist tatsächlich so, dass man sich nicht vorstellen kann, aus diesem Teufelskreis auszubrechen. Aber man wächst mit seinen Aufgaben, man lernt, mit seinen Gefühlen und den Widrigkeiten umzugehen und die Sonne kehrt dann wieder zurück. Die ersten Jahre sind bei den meisten Familien richtig hart, aber in der Regel wird es bei fast allen irgendwann einfacher.


