Encoded Therapeutics hat neue Zwischenergebnisse aus dem klinischen POLARIS-Programm vorgestellt. Die Daten stammen aus den ersten drei Dosierungsstufen der laufenden Phase‑1/2‑Studien und geben erstmals einen detaillierten Einblick, wie die Gentherapie ETX101 bei Kindern mit Dravet-Syndrom wirkt.
Bereits im September hatten wir berichtet, dass ETX101 in den USA den sogenannten RMAT-Status erhalten hat. Dabei handelt es sich um eine besondere Einstufung der FDA, die Therapien mit großem Potenzial für schwere oder lebensbedrohliche Erkrankungen eine beschleunigte Entwicklung ermöglicht.
Was ist EXT101 und wie wirkt es?
ETX101 ist eine neuartige, potenziell krankheitsmodifizierende Gentherapie. Anders als herkömmliche Medikamente, die Symptome lindern, zielt ETX101 direkt darauf ab, die gestörte Genfunktion des SCN1A-Gens zu regulieren. Dieses Gen steuert die Bildung des wichtigen Natriumkanals NaV1.1, der vor allem in hemmenden (inhibitorischen) Interneuronen aktiv ist. Diese Nervenzellen wirken wie eine Bremse im Gehirn: Sie sorgen dafür, dass sich elektrische Aktivität kontrolliert ausbreitet. Wenn NaV1.1 aufgrund einer SCN1A-Mutation fehlt oder vermindert ist, gerät dieses Gleichgewicht aus der Bahn – mit weitreichenden Folgen für Anfälle, Verhalten, Kognition und Motorik. ETX101 soll gezielt die Produktion von NaV1.1 erhöhen. Dadurch könnte nicht nur die Anfallsfrequenz sinken, sondern auch viele der begleitenden Entwicklungsprobleme positiv beeinflusst werden.
Wer nahm an der Studie teil und wie sicher ist ETX101 bisher?
In die bisherigen Studien wurden 19 Kinder im Alter zwischen sechs Monaten und sieben Jahren eingeschlossen. Sie erhielten ETX101 in vier unterschiedlichen Dosierungsstufen. Die jetzt präsentierten Wirksamkeitsdaten stammen aus den ersten drei Dosen. Für die höchste Stufe (Dosis 4) liegen derzeit ausschließlich Sicherheitsdaten vor. Erfreulich ist, dass ETX101 bisher über alle Dosierungen hinweg gut vertragen wurde. Schwerwiegende therapiebedingte Nebenwirkungen traten nicht auf. Die häufigsten beobachteten Reaktionen waren vorübergehende Erhöhungen der Leberwerte, ein bei AAV-Gentherapien bekanntes Phänomen. Sie verliefen ohne Symptome und normalisierten sich bei allen Kindern rasch. Insgesamt vermittelt das Sicherheitsprofil einen stabilen und ermutigenden Eindruck.
Deutliche Reduktion der Anfälle: Besonders in der dritten Dosierung
Die stärksten Hinweise auf Wirksamkeit zeigen sich bislang in der dritten Dosierungsstufe. Dort verringerten sich die monatlich zählbaren Anfälle über einen Beobachtungszeitraum von sieben Monaten um median 78 Prozent und das bei Kindern, die zuvor trotz modernster Medikamente stark therapieresistent waren. Besonders bemerkenswert ist, dass dieser Zeitraum in eine Altersphase fällt, in der viele Dravet-Kinder eher eine Verschlechterung erleben. Dass die Anfallszahlen dennoch so deutlich zurückgingen, unterstreicht das Potenzial von ETX101. Auch die ersten beiden Dosierungen zeigten Verbesserungen, wenn auch weniger ausgeprägt, sodass insgesamt ein klarer Dosis-Wirkungs-Trend erkennbar wird.
Entwicklungsfortschritte, die über den erwartbaren Verlauf hinausgehen
Neben den Anfällen wurden auch die Entwicklungsverläufe der Kinder systematisch erfasst. Mehrere Kinder, die ETX101 in den niedrigeren Dosierungen erhalten hatten und inzwischen ein Jahr beobachtet wurden, zeigten sichtbare Fortschritte in Bereichen, in denen Dravet-Kinder häufig stagnieren: Sprache, Motorik, soziales Verhalten und Alltagsfertigkeiten verbesserten sich bei allen bisher ausgewerteten Teilnehmern. Diese Entwicklungen weichen deutlich vom bekannten natürlichen Verlauf ab.
Besonders eindrucksvoll sind die Daten der jüngsten Kinder. Von fünf Teilnehmenden, die ETX101 vor dem zweiten Geburtstag erhielten, entwickelten sich vier bereits nach 16 Wochen spürbar schneller als erwartet. Diese kognitiven Fortschritte hielten bis Woche 52 an. Die Forscher werten dies als Hinweis darauf, dass eine frühe Behandlung möglicherweise dazu beitragen kann, eine drohende Entwicklungsstagnation zu verhindern und die Lernfähigkeit der Kinder deutlich zu verbessern.
Was bedeuten die Ergebnisse für Familien?
Auch wenn es sich noch um frühe Studiendaten handelt, gehört ETX101 zu den vielversprechendsten krankheitsmodifizierenden Therapieansätzen, die bisher beim Dravet-Syndrom untersucht wurden. Die kommenden Monate, insbesondere die Auswertung der vierten Dosierungsstufe, werden entscheidend dafür sein, wie ETX101 weiterentwickelt wird und welche Möglichkeiten sich langfristig für betroffene Familien eröffnen.
Wir halten euch auf dem Laufenden, sobald neue Informationen veröffentlicht werden.
Zu den Ergebnissen von Encoded Therapeutics kommst du hier.


