Der zweijährige Levi aus Berlin hatte seinen ersten Anfall mit drei Monaten nach seiner ersten Impfung. Sein längster Anfall dauerte anderthalb Stunden. Mit neun Monaten erhält er die Diagnose Dravet-Syndrom. Seine Eltern Denise und Serdar teilen seine Geschichte.
Könnt Ihr uns etwas über Levis erste Anfälle erzählen? Wie habt Ihr sie bemerkt und wie darauf reagiert?
Den ersten Anfall hatte Levi nach der ersten Impfung. Er war drei Monate alt. Der Anfall war halbseitig und nach einigen Minuten vorbei. Es passierte nachts aus dem Schlaf heraus, wie die darauf folgenden Anfälle auch. Uns war damals nicht klar, dass dies ein Anfall war. Es folgten noch zwei weitere Impfungen, nach denen er ebenfalls krampfte. Von da an wurden die Krämpfe immer länger, sein längster Anfall bisher dauerte anderthalb Stunden an.
Wann und wie wurde bei Levi das Dravet-Syndrom diagnostiziert? Gab es spezifische Anzeichen, die zur Diagnose geführt haben?
Wir landeten mit jedem Krampf im Krankenhaus, da wir sie selbst nicht unterbrechen konnten. Die Notfallmedikamente wirkten nicht. Relativ früh stand das Dravet-Syndrom als Verdacht im Raum. Levi wurde Blut entnommen und nach sechs Wochen Wartezeit bekamen wir das Ergebnis, das unser ganzes Leben auf den Kopf gestellt hat – da war Levi knapp neun Monate alt.
„Auf den Kopf gestellt“ – wie genau hat sich das Leben für Euch als Familie seit der Diagnosestellung verändert?
Mit Erhalt der Diagnose brach für uns eine Welt zusammen. Da Levi meist bei Infekten krampft, haben wir uns zu Beginn sehr stark eingeigelt. Wir hatten panische Angst vor dem nächsten Infekt und dem damit verbundenen Statuskrampf, denn wir landeten jedes Mal im Krankenhaus. Manchmal passierte das dreimal in der Woche oder viermal im Monat. Wir hatten kaum soziale Kontakte und konnten das Geschehene überhaupt nicht verarbeiten. Wir funktionierten einfach nur. Unser Leben stand kopf – von jetzt auf gleich. Es dauerte eine ganze Weile, bis wir verstanden, was Dravet-Syndrom eigentlich bedeutet und dass es sich dabei nicht “nur” um Krämpfe handelt. Seitdem versuchen wir, irgendwie damit klarzukommen – eine Wahl hat man ja leider nicht.
Welche Herausforderungen stellen sich im Alltag mit einem Kind mit Dravet-Syndrom?
Der Alltag wird seiner Leichtigkeit völlig beraubt: Angefangen bei den Medikamenten, bei denen stets auf die genaue Uhrzeit und Dosierung geachtet werden muss, bis hin zu den Notfallmedikamenten, die immer griffbereit sein müssen. Im Winter sorgen wir uns ständig wegen der vielen Infekte, im Sommer wegen der Hitze. Ins Ausland zu reisen, trauen wir uns aufgrund der langen Krampfanfälle nicht mehr. Angst ist ein ständiger Begleiter, wobei es mit der Zeit besser wird, da man lernt damit zu leben, aber es führt dazu, dass man unentspannt ist und Dinge nicht so genießen kann, wie andere Eltern das können. Außerdem macht man sich ständig Sorgen um die Zukunft, die Entwicklung des Syndroms und Levi. Man lebt einfach ein anderes Leben, wird oft nicht richtig verstanden und muss stärker für sein Kind einstehen, als andere Eltern das müssen.
Denise, wie gehst Du als Mama mit den emotionalen Belastungen um, die mit der Betreuung eines Kindes mit einer schweren neurologischen Erkrankung einhergehen? Wie ergeht es Euch als Eltern?
Es gibt mal bessere, mal schlechtere Phasen. Manchmal denke ich, dass ich die Situation gut angenommen habe und irgendwie damit umgehen kann. Doch dann kommt ein größerer Anfall und wirft mich wieder zurück. Ich glaube, es wird immer Höhen und Tiefen geben. Daher ist es für uns beide wichtig, einen Ausgleich zu finden – Momente, in denen wir den Kopf frei haben können, sei es beim Treffen mit Freunden oder einfach nur beim Ausgehen. Besonders, da wir keine familiäre Unterstützung haben und die Gesamtsituation eine große Belastung darstellt.
Welche Art von Unterstützung und Behandlung erhält Levi für sein Dravet-Syndrom?
Levi hat zweimal die Woche Physiotherapie, seitdem er circa ein Jahr alt ist. Alle drei Monate sind wir beim Neurologen vorstellig, wo der Medikamentenspiegel kontrolliert und ein EEG abgeleitet wird. Einmal im Jahr fahren wir zusätzlich ins Epilepsiezentrum, für eine weitere Einschätzung der Gesamtentwicklung.
Wie geht es Levi jetzt?
Levi ist seit einer Medikamentenumstellung vor neun Monaten anfallstechnisch ganz “gut” eingestellt. Wir waren knapp sieben Monate anfallsfrei, was für uns eine unglaubliche Erleichterung war! Motorisch entwickelt er sich langsam, aber stetig weiter. Sprachlich tut sich bisher kaum etwas.
Welche Hoffnung und Träume habt Ihr für die Zukunft von Levi?
Levi soll ein glückliches, gesundes und selbstbestimmtes Leben führen dürfen – das ist unser größter Wunsch. Wir wünschen uns auch, dass eine Heilung für das Dravet-Syndrom gefunden wird.
Welchen Rat möchtet ihr Familien auf den Weg geben, die erst vor kurzem die Diagnose Dravet erhalten haben?
Genießt die guten Phasen in vollen Zügen. Klammert die Angst aus – sie steht Euch nur im Weg. Ihr seid nicht allein, wendet Euch an Leute, die das gleiche Schicksal teilen und tauscht Euch aus.
Herzlichen Dank für das Interview.